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Und der Herr sei ihnen gnädig

Und der Herr sei ihnen gnädig

Titel: Und der Herr sei ihnen gnädig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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zu arbeiten an, oder?«
    Mein Vater starrte mich an.
    »In meinem Viertel«, fuhr ich fort, »stellen sich morgens viele Latinos an eine Straßenecke oder vor ein Malergeschäft, weil sie hoffen, von irgendeiner Baufirma aufgelesen zu werden.«
    »Hattest du nicht gesagt, dieser Typ habe einen festen Job?«
    »Ich habe nur gesagt, dass als sein Arbeitgeber Do-Rite Construction eingetragen war. Ich weiß nicht, wie lange oder ob er überhaupt je für die Firma gearbeitet hat. Ich hatte nie die Gelegenheit, das zu überprüfen, weil meine so genannten Vorgesetzten mich aufgefordert haben, die Finger davon zu lassen. Aber wenn Renaides Do-Rite als Arbeitgeber angegeben hat, dann wird er wahrscheinlich auch für andere Baufirmen gearbeitet haben.«
    Decker gab mir keine Antwort.
    »Warum fahren wir nicht ein bisschen herum -«
    »Ich wollte diesen Typen eigentlich aus dem Bett holen.«
    »Daddy, wir wissen doch gar nicht, wo er wohnt!« Mein Vater konnte manchmal unglaublich dickköpfig sein. »Ich glaube, wir könnten unsere Zeit sinnvoller nutzen, wenn wir versuchen würden, mit ein paar Leuten von Bauarbeitertrupps zu sprechen und sie nach Renaides zu fragen. Du hättest bestimmt keine Probleme, dich als Bauunternehmer von der West Side auszugeben, der auf der Suche nach Arbeitskräften ist. Schließlich sprichst du fließend Spanisch und fährst einen protzigen Wagen.«
    »Bauunternehmer fahren Porsche?«
    »Die, die in Brentwood arbeiten, bestimmt.«
    »Ich dachte, die fahren Trucks.«
    »Beides.«
    »Ich habe mir den falschen Beruf ausgesucht.«
    »Hat dir Mom das nicht schon vor langer Zeit gesagt?«
    Decker warf mir einen säuerlichen Blick zu.
    »Bauunternehmer und Immobilienmakler: Die fahren Porsche, Mercedes, Beemer oder Jaguar. ...Das gehört zum Image. Können wir jetzt über meine Idee reden?«
    »Auf der Herfahrt sind mir keine wartenden Bauarbeitertrupps aufgefallen.«
    »Weil wir nicht nach ihnen Ausschau gehalten haben. Außerdem war es vielleicht noch zu früh. Komm, lass uns bei ein paar Holzlagern oder Malergeschäften vorbeischauen. Mal sehen, ob uns das irgendwie weiterbringt.«
    Mein Vater blieb mir eine Antwort schuldig, klopfte nur mit der Fußspitze auf dem Boden herum.
    »Glaub mir, Decker, das ist eine gute Idee«, fuhr ich fort. »Viel besser als alle deine bisherigen Vorschläge. Schließlich bin ich diejenige, auf die geschossen wurde und die jetzt vom Dienst suspendiert ist. Außerdem habe ich seit mehr als zwanzig Stunden nicht mehr geschlafen. Wenn du dich jetzt nicht auf der Stelle in Bewegung setzt, fahre ich heim.«
    Mein Vater schob die Hände in die Taschen. »Du lernst schnell«, stellte er fest.
    »Danke. Können wir jetzt endlich fahren?«
    Decker holte seinen Schlüssel heraus. »Wir können.«
    Wir erzählten den Leuten, Pepe Renaides schulde meinem Vater, dem Bauunternehmer, eine beträchtliche Geldsumme - was uns die Männer, mit denen wir sprachen, offenbar auf Anhieb glaubten. Unsere Ausbeute war ein halbes Dutzend Adressen in der richtigen Gegend. Das Ganze kostete uns lediglich zwei Stunden und zweihundert Dollar in Zwanzigern. Weder Decker noch ich hatten so viel Bargeld dabei, sodass Dad die Summe von seinem Konto abhob. Ich fragte ihn, ob er wirklich glaube, dass die Sache das wert sei, worauf er entgegnete, wie viel mein Leben denn meiner Meinung nach wert sei. Er übertrieb ein bisschen, aber ich hielt es für das Beste, ihn nicht herauszufordern.
    Die erste Adresse existierte nicht, die zweite war die eines Copy-shops. Die dritte gehörte zu einem der kleinen, grob verputzten Häuschen. Das sah nicht schlecht aus, auch wenn der Nachname der Bewohner Martez lautete. In dem Haus befanden sich eine Mutter und ihre zwei mürrischen Töchter. Es roch nach Speck und Aceton. Die beiden Teenager waren gerade damit beschäftigt, sich die Zehennägel zu lackieren. Die Frau behauptete, dass bei ihnen kein Pepe Renaides wohne, aber da sie nicht sehr überzeugend wirkte, durchsuchte Decker das Haus. Sie ließ es geschehen, weil Decker groß war, Autorität ausstrahlte und außerdem auf Spanisch etwas zu ihr gesagt hatte, was sie zu Tode erschreckt zu haben schien.
    Als wir bei der vierten Adresse ankamen - einem heruntergekommenen Wohnblock -, war es fast zehn, sodass wir kaum noch hoffen konnten, Pepe Renaides im Bett zu erwischen. Es handelte sich um ein zweistöckiges, braun gestrichenes Gebäude, gesäumt von einem Streifen struppigen Rasens und ein paar Palmen. Eine Lobby

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