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Und der Herr sei ihnen gnädig

Und der Herr sei ihnen gnädig

Titel: Und der Herr sei ihnen gnädig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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orthopädische Schuhe. Bei Rinas Anblick schlug sie die Hand vor den Mund. »Mein
    Gott, Martha Gottlieb!« In ihre blauen Augen traten Tränen. »Ich kann gar nicht glauben... «
    Sie begann zu weinen. »Meine Schwester ist ein sehr emotionaler Mensch«, bemerkte Anika.
    Rina streckte ihr die Hand hin. »Ich sehe meiner Mutter sehr ähnlich.«
    Aber Martha weinte zu heftig, um antworten zu können. Anika verpasste ihr einen Klaps auf die Schulter. »Hör auf!«
    »Du sollst aufhören!« Martha rang nach Luft. Schließlich griff sie nach Rinas Hand. »Wie geht es Ihrer Mutter?«
    »Sehr gut. Es geht ihr wirklich sehr gut.«
    Martha seufzte. »Wir waren einmal sehr gute Freundinnen. Dann ist uns ein ganzes Leben dazwischengekommen.«
    »Ich weiß.«
    »Sie war in Auschwitz?« »Ja.«
    »Ach... schrecklich, schrecklich.« Sie legte eine Hand an die Brust. »Martha war eine so starke Frau. Wenn jemand die Kraft besaß, das zu überleben, dann Martha. Ich wäre bestimmt gestorben.« Sie wischte sich über die Augen. »Hier riecht es gut, Anika. Ich habe Hunger.«
    »Sie können nicht mit uns essen. Sie leben koscher«, erklärte Anika.
    »Ach ja... ich hätte daran denken müssen.«
    »Das macht nichts«, sagte Rina. »Peter und ich müssen sowieso gleich wieder los. Wir haben noch eine relativ junge Tochter zu Hause. Wie lange bleiben Sie in der Stadt, Mrs. Wallek?«
    »Nennen Sie mich doch bitte Martha. Diesmal bleibe ich den ganzen August. Eine lange Zeit. Ich muss Ihre Mutter unbedingt sehen. Bitte. Es würde mir gut tun. Ich glaube, ihr würde es auch gefallen.«
    Rina nickte. »Ich werde sie fragen. Aber ich habe eine Bitte -lassen Sie uns nicht mehr über die Morde sprechen. Nur noch über die schönen Erinnerungen.«
    »Ja, ja, natürlich«, antwortete Martha. »Es sind viel zu viele schreckliche Erinnerungen.« Sie seufzte. »Es ist schlimm, senil zu sein, aber nicht so schlimm, ein paar Sachen zu vergessen.«
    »Selektive Verdrängung«, bemerkte Rina.
    »Genau. Unser Leben wird nun nicht mehr lange dauern. Wir sollten aufhören, uns mit der Vergangenheit zu beschäftigen.« Martha drückte Rinas Hand. »Wir können zu Ihnen nach Los Angeles kommen.«
    »Meinst du wirklich?«, fragte Anika.
    »Ja, natürlich«, antwortete Martha. »Ich kann doch fahren.« Ein wahrhaft beängstigender Gedanke. Rasch warf Decker ein: »Was würden Sie davon halten, wenn ich Sie chauffiere?« »Das könnte ich nicht annehmen!«
    »Als eine Art Geschenk für Rinas Mutter«, fügte Decker mit Nachdruck hinzu. »Es wäre mir ein Vergnügen.«
    »Er möchte nicht, dass du fährst«, erklärte Anika ihrer Schwester.
    »Ich möchte nur, dass Sie beide es so bequem wie möglich haben«, meinte Decker. »Lassen Sie uns erst mit Magda - Rinas Mutter - sprechen. Ich schicke Ihnen dann per E-Mail ein paar Terminvorschläge. «
    Wieder legte Martha eine Hand an die Brust. Wieder bekam sie feuchte Augen. »Das wäre wunderbar. Vielen Dank.« Sie küsste Rina auf beide Wangen. Dann brach sie erneut in Tränen aus. »Es tut mir so Leid!«
    »Bitte, Martha -«
    »All das Unrecht, das wir Ihrem Volk angetan haben! All der Schmerz, all das Leid!« »Martha, es ist eine neue Welt.« Rina drückte ihre Hand. »Hoffentlich.«
    »Ja, hoffentlich.« Sie lächelte. »Das ist alles, was uns bleibt... die Hoffnung.«
    Als sie wieder auf der Autobahn waren, sagte Rina: »Ich frage mich, wie Mama reagieren wird, wenn wir ihr berichten, dass wir Martha Lubke gefunden haben.« » Wir}«
    »Ich hatte gehofft, du würdest mir beistehen. Wie könnten wir unsere Suche nach Martha denn logisch begründen?«
    »Das ist leicht. Sag deiner Mutter einfach, euer Gespräch über die Vergangenheit habe dich neugierig gemacht.«
    Rina nickte. »Ich glaube, das wird funktionieren, du hinterhältiger kleiner Teufel, du!« »Das verbitte ich mir!«, protestierte Decker. »Du bist genauso hinterhältig wie ich. Ich kann es bloß ein bisschen besser verbergen.«
    »Weil du mehr Übung darin hast.«
    »Wahrscheinlich.« Decker streichelte ihre Wange. »Bist du mit dem Ergebnis wirklich zufrieden? Dass der Mord an deiner Großmutter ungeklärt bleibt?«
    »Ja, wirklich. Wie ich schon gesagt habe, es ging mir nicht mehr so sehr um den Mord, sondern vielmehr um die Kindheit meiner Mutter.« Sie spürte, dass sie feuchte Augen bekam. »Ich kenne meine Mutter nur als eine Frau, die eine große Last mit sich herumschleppt. Es ist gut zu wissen, dass sie auch mal ein kleines Mädchen

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