Und der Herr sei ihnen gnädig
ich meine Marke und hielt sie den beiden unter die Nase. »Zieht Leine, Gentlemen«, sagte ich.
Der mit den Dreadlocks setzte zu einer Antwort an, aber ich ließ ihn gar nicht erst zu Wort kommen. »Ich habe gesagt, ihr sollt Leine ziehen!« Nachdem ich zu beiden Augenkontakt hergestellt hatte, fügte ich ein »Bitte« hinzu.
Sie blieben noch kurz stehen, um zu demonstrieren, dass sie sich von mir nicht herumkommandieren ließen, aber dann kamen sie wohl zu dem Schluss, dass es die Mühe nicht lohnte, und trotteten weiter, wobei Mr. Dreadlock vorher noch vor meinen Fuß spuckte. Wütend drehte Koby sich nach ihnen um. Als er Anstalten machte, die Verfolgung aufzunehmen, packte ich ihn an der Hand und zog ihn weiter.
»Da sind wir ja schon.« Ich schob die Tür auf und zog ihn hinter mir her. Wir standen in einem kleinen Vorraum, von dessen Wänden der Putz abblätterte. In einem
Metallständer lagen Handzettel und Broschüren verschiedener sozialer Dienste. Durch einen Rundbogen konnte ich in eine Art Speisesaal sehen. Hinter einem einzelnen Schreibtisch saß eine rundliche Frau um die fünfzig, deren kurz geschnittenes Kraushaar aus grauschwarzen Knäueln zu bestehen schien. Sie trug ein ärmelloses weißes Top und schwitzte stark. In dem Raum war es sehr heiß, und der träge Ventilator schuf kaum Abhilfe. Sie musterte uns argwöhnisch. Wieder zückte ich meine Marke.
Sie schaute mich mürrisch an. »LAPD? Sie sollten mal ein paar Fahrstunden nehmen, Schwester. Sie haben sich im Revier geirrt.«
Ich ignorierte ihren feindseligen Ton. »Ich versuche einen Ausreißer zu finden.« Ich zog sein Bild heraus. »Er ist vierundzwanzig und weist Merkmale des Down-Syndroms auf. Wie unschwer zu erkennen ist, handelt es sich um einen Schwarzen. Ursprünglich stammt er aus meinem Revier in Hollywood. Seine behinderte Freundin ist von mehreren Mitgliedern einer Bande vergewaltigt worden. Er selbst wurde verprügelt und dann wie Müll in eine Abfalltonne gesteckt. Seitdem hat ihn niemand mehr gesehen. Das Ganze ist nun schon neun Monate her.«
Nachdem sie sich meine Geschichte angehört hatte, wandte sie sich an Koby. »Und wo ist Ihr Ausweis?«
»Er ist kein Cop«, klärte ich sie auf. »Er ist mein Freund.«
Sie musterte mich aus schmalen Augen. Obwohl aus ihrem Blick noch immer Missbilligung sprach, war ihre Miene etwas weicher geworden. Ich hatte dasselbe Phänomen schon bei anderen Schwarzen erlebt. Die Tatsache, dass ich mit Koby zusammen war, machte mich offenbar eine Spur vertrauenswürdiger als den durchschnittlichen weißen Cop.
»Was wollen Sie?«
»Ich versuche nun schon seit drei Monaten, diesen Jungen zu finden. Ich klappere sämtliche Obdachlosenheime ab, und Ihre Adresse stand auch auf meiner Liste. Ich wollte Sie nur fragen, ob Sie ihn gesehen haben. Und wenn nicht, ob Ihnen vielleicht noch andere Adressen einfallen, wo ich nachfragen sollte.«
Sie betrachtete das Foto. »Haben Sie in L. A. schon alles durch?«
»Ja, absolut alles. Ich dachte mir, nachdem er schwarz ist, würde er sich hier vielleicht sicherer fühlen.«
»Das wäre ja mal was ganz Neues.« Ihr Lachen klang bitter. »Wenn jemand wegen der Sicherheit zu uns käme.«
»Ich klammere mich an jeden Strohhalm. Was riecht denn hier so gut?«
»Die Küche.« Sie deutete über ihre Schulter auf den Rundbogen hinter ihr. »Da wird gerade Abendessen gekocht.« Einen Moment lang sah sie Koby an, dann wieder mich. »Was haben Sie mit einem zehn Monate alten Verbrechen zu schaffen?«
»Das ist eine lange Geschichte.«
Sie verschränkte die Arme und wartete.
Ich holte tief Luft. »Seine Freundin hat ein kleines Mädchen zur Welt gebracht. Nach der Geburt hat sie das Kind in einen Müllcontainer geworfen. Ich habe das Baby gerettet. Ich finde, die Kleine verdient es zu wissen, wer ihre Eltern sind. Außerdem ist der Junge nur weggelaufen, weil er Angst hatte. Er ist nicht arm. Auf ihn wartet ein Treuhandfonds. Wenn ich beweisen könnte, dass er wirklich der Vater dieses Kindes ist, dann bekäme die Kleine vielleicht auch ein bisschen Geld. Sie hätte es weiß Gott verdient. «
»Und Sie kriegen nicht zufällig einen Finderlohn?«
Sie musterte mich mit einem zynischen Blick.
»Ich kriege keinen Penny«, antwortete ich.
Sie lachte verächtlich. »Sie sind also bloß eine von den ganz normalen, netten, wohltätigen weißen Cops.«
Ich ließ mich nicht beirren. »Sie werden es vielleicht nicht glauben, aber die gibt es.«
Sie griff nach dem
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