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Und der Herr sei ihnen gnädig

Und der Herr sei ihnen gnädig

Titel: Und der Herr sei ihnen gnädig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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Foto und sah es sich genauer an. »Lassen Sie es mich Urlene zeigen.«
    »Und Sie sind...?« Sie zögerte. »Cerise.« » Cynthia Decker.«
    Ihr Blick wanderte zu Koby. »Sie können wohl nicht reden, was?«
    »Ich bin lediglich der Chauffeur«, antwortete er.
    »Ganz genau, Bruder. Und mehr werden Sie auch nie sein.« Sie stand auf - ihr Unterkörper steckte in schwarzen Stretchshorts -und verschwand durch den Rundbogen in die Küche.
    Ich schlug die Hände vors Gesicht.
    »Lass dir deswegen keine grauen Haare wachsen«, flüsterte Koby mit ausdrucksloser Stimme.
    Dabei sah ich an seinem Blick, wie wütend er selbst war.
    Wir lebten in einer freien und bis zu einem gewissen Grad auch freizügigen Welt, und die meiste Zeit war unsere Hautfarbe unwichtig. Wenn aber nicht, war es jedes Mal wie eine kalte Dusche. In Kobys Fall waren es die weißen Männer, die am feindseligsten reagierten, bei mir die schwarzen Frauen.
    Euch reichen eure eigenen Männer wohl nicht. Müsst ihr uns auch noch die unseren stehlen?
    Vor etwa einem Monat hatte Koby mich zu einer Party eines seiner Freunde mitgenommen. Achtzig Prozent der Anwesenden waren Schwarze gewesen, fünfzehn Prozent Latinos und Asiaten, der Rest ein paar verirrte Weiße. Ohne dass es uns selbst so richtig bewusst war, rotteten wir Weißen uns irgendwann zu einem Grüppchen zusammen und unterhielten uns. Wir tauschten Erfahrungen aus und kamen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass es allemal leichter war, mit der Feindseligkeit einer Frau umzugehen: Frauen schössen mit Worten, Männer mit Waffen.
    Dass Koby sich zu mir hingezogen fühlte, hatte natürlich weniger mit meiner weißen Haut zu tun als mit der Tatsache, dass ich Jüdin war. Eine noch größere Rolle spielte vielleicht, dass ich nie verheiratet gewesen war. Obwohl kein orthodoxer Jude wie Rina, war Koby doch stark in der Tradition verwurzelt. Er war in die jüdische Priesterklasse - Kohanim - hineingeboren worden, und wie ich inzwischen von Rina wusste, mussten Kohanim ihre Priesterschaft aufgeben, wenn sie eine geschiedene Frau heirateten. Was in der Regel kaum jemanden interessierte. Es handelte sich dabei um etwas Symbolisches, was den meisten amerikanischen Juden völlig egal war, aber da ich Koby kannte, wusste ich, dass es für ihn sehr wohl eine Rolle spielte - und genau aus dem Grund hatte er mich damals auch gefragt, ob es in meinem Leben einen Exmann gebe. Bereits zu dem Zeitpunkt war klar gewesen, dass er mehr wollte als nur eine Bettgeschichte.
    Ein paar Minuten später kam Cerise zurück. »Ja. Es ist, wie ich vermutet habe. Er war ein paarmal hier, aber seit mindestens vier Monaten hat er sich nicht mehr blicken lassen.«
    Ich war bass erstaunt. »Er war hier?«
    »Habe ich das nicht eben gesagt?«
    »O mein Gott, er ist noch am Leben!« Ich packte Koby am Arm und strahlte ihn an. »Ich kann es gar nicht fassen!«
    »Ob er noch am Leben ist, kann ich Ihnen nicht sagen. Ich habe ihn schon monatelang nicht mehr gesehen.«
    »Sie haben meinen Sommer gerettet!« Über das ganze Gesicht strahlend, nahm ich ihre Hand und schüttelte sie wie wild. »Jetzt muss ich ihn nur noch finden. Haben Sie mit ihm gesprochen?«
    »Mädchen, hier tanzen jeden Tag über hundert Leute an.« Sie entzog mir ihre Hand und schüttelte sie aus. »Ich erinnere mich an ihn, weil er dieses Down-Gesicht hatte. Eins kann ich Ihnen sagen: Er hat viel älter ausgesehen als auf dem Foto.«
    »Aber Sie glauben, dass er es war.«
    »Ich weiß, dass er es war. Er hat etwa zwei Monate lang bei uns gegessen.«
    »Hat er mal mit jemandem gesprochen?«
    »Woher soll ich das wissen? Mit mir jedenfalls nicht. Er hat bloß sein Essen verputzt und ist anschließend wieder zurück in die Ritzen gekrochen. Da kommen all diese Leute nämlich her, Miss Cop. Aus den Ritzen.«
    »Haben Sie eine Vorstellung, wohin er verschwunden sein könnte?«
    »In irgendeine andere Ritze.«
    »Gibt es hier in der Gegend weitere Obdachlosenheime?« »Hatten Sie nicht gesagt, Sie hätten eine Liste?«
    Ich zog den Zettel heraus und deutete auf eine etwa sieben Kilometer entfernte Adresse. »Da wollte ich als Nächstes hin.«
    Sie zuckte mit den Achseln. »Etwas anderes kann ich Ihnen auch nicht sagen.« Sie stand auf. »Ich habe zu tun. Sie finden ja allein hinaus.«
    Mit diesen Worten kehrte sie in die Küche zurück. Ich blickte ihr nach und sah sie den Kopf schütteln.
    Ich nahm Koby bei der Hand und schob seine steifen Finger zwischen meine. »Komm,

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