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Und der Herr sei ihnen gnädig

Und der Herr sei ihnen gnädig

Titel: Und der Herr sei ihnen gnädig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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großer Junge, lass uns von hier verschwinden. «
    Er gab mir keine Antwort, was immer ein schlechtes Zeichen war. In seinem Kopf braute sich etwas Hässliches zusammen, und da ich wollte, dass wir uns an einem sicheren Ort befanden, wenn es losbrach, zerrte ich ihn so schnell wie möglich zu unserem Wagen zurück, der noch unversehrt dort stand, wo wir ihn abgestellt hatten. »Ahm, du hast den Schlüssel«, sagte ich.
    Er fand auf Anhieb die Zufahrt zum Freeway. Ich erklärte ihm, wie wir fahren mussten, um zum nächsten Obdachlosenheim zu gelangen. Er schien kaum mitzubekommen, was ich sagte.
    Als er mir damals eröffnete, er habe »düstere Launen«, hatte er nicht untertrieben. Ich hatte es schon mehrfach miterlebt und ihn dann wie gewünscht in Ruhe gelassen, damit er seine Depressionen »wegarbeiten« konnte. Heute aber waren wir zusammen unterwegs, und keiner von uns hatte die Möglichkeit, sich zurückzuziehen.
    »Es ist vorbei, Koby. Lass uns nicht mehr daran denken -«, begann ich.
    »Diese Schweine!«, brach es aus ihm heraus.
    »Genau deswegen sind sie es nicht wert, dass wir noch einen Gedanken an sie verschwenden.«
    »Die nennen mich einen Nigger?« Er deutete auf sich selbst. »Ich bin ein Schwarzer. Sie selbst sind die Nigger!«
    Ich schnaubte entnervt. »Ich weiß, dass es in Ordnung ist, wenn ihr das N-Wort selbst benutzt, aber bitte lass es trotzdem sein. Wir Weißen haben ein Problem damit.«
    »Aber etwas anderes sind sie doch nicht! Ignorante Schweine!«
    »Cerise war zumindest hilfsbereit.«
    »Wenn Sie eine Weiße gewesen wäre, hättest du sie als blöde Kuh bezeichnet.«
    »Ich habe nur versucht, freundlich zu sein.«
    »Das sind deine anerzogenen liberalen Wurzeln, die da durchkommen«, knurrte er.
    »Also gut. Sie war eine blöde Kuh! Und die beiden Typen waren Idioten. Aber Idioten gibt es in allen Farben.«
    »Aber müssen es ausgerechnet meine eigenen Leute sein, die uns solche Beleidigungen entgegen schleudern?«
    »In der Beziehung sind wir verwöhnt, Koby. Wir halten uns die meiste Zeit in Hollywood auf, wo alles geht. Gestern Nacht zum Beispiel, als wir um zwei Uhr morgens noch in dem Cafe waren. Da saß diese bullige Lesbe und schüttete einem Transvestiten ihr Herz aus. Oder denk an das asiatische Mädchen mit dem blauen Haar und ihren weißen Freund, der vor lauter Piercings schon aussah wie ein Nadelkissen. Dann war da noch dieser chassidische Typ, der gerade irgendein Geschäft mit einem Pornoproduzenten aushandelte -«
    »Wir wissen doch gar nicht, ob er wirklich Pornoproduzent war.«
    »Auf jeden Fall war er was Schmieriges. Ich will damit nur sagen, dass wir dort das normalste Paar waren. Yaakov, es gibt in den guten alten USA Orte, wo das ganz anders aussähe, und damit meine ich nicht bloß den tiefen Süden oder das ländliche Texas, sondern hübsche Gegenden mit netten kleinen Häuschen und grünen Rasenflächen und Plakaten an den Fensterscheiben, auf denen steht: >Der Süden soll wieder auferstehen!<«
    Koby wirkte immer noch angespannt. »Dass es unter euch Weißen Scheinheilige und Heuchler gibt, ist keine Entschuldigung für die Dummheit meines Volkes!«
    »Es geht gar nicht darum, irgendwelche Entschuldigungen zu finden. Ich wollte damit nur sagen, dass es dumme Menschen in allen Hautfarben gibt, sogar unter den liberalen Weißen auf der West Side. Mein Gott, Koby, erinnerst du dich an die Geburtstagsparty, die Mom für Alan gegeben hat? Die Gesichter der Gäste, als sie dich kennen lernten! Mann, wenn ihr Lächeln noch eine Spur eingefrorener gewesen wäre, hätte ich es ihnen mit einem Eispickel weghacken können.«
    »So schlimm war es auch wieder nicht.«
    »Stimmt, besonders lustig war, als Mrs. Hauser dir ihr benutztes Weinglas reichte und dich bat, ihr noch ein Glas von dem eisgekühlten Chardonnay zu bringen, und das, obwohl alle für den Partyservice arbeitenden Kellner Weiße waren, einen Smoking trugen und ein Tablett in der Hand hielten.«
    Koby wartete einen Moment, bevor er antwortete, rief sich die Situation wieder ins Gedächtnis. Sein Blick verdüsterte sich. »Ja, das war unangenehm.«
    »Koby, du hast vor Wut gekocht.«
    »Sie hat sich tausendmal entschuldigt.«
    »Klar, die Sache war ihr schrecklich peinlich. Einen schlimmeren Fauxpas kann man in ihren Kreisen fast nicht begehen. Diese Leute haben ja angeblich überhaupt keine Vorurteile gegenüber Menschen anderer Hautfarbe, aber in Wirklichkeit haben sie natürlich alle solche Vorurteile. Sie

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