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Und der Herr sei ihnen gnädig

Und der Herr sei ihnen gnädig

Titel: Und der Herr sei ihnen gnädig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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herunterkommen?«
    »Oh, ich kann ihn gern für Sie holen, wenn Sie möchten.« »Das wäre sehr nett, vielen Dank.«
    »Gut.« Sie rührte sich nicht von der Stelle. Ihr Blick wanderte unruhig im Raum herum. »Bitte nehmen Sie doch so lange Platz.«
    Offenbar war ihr daran gelegen, dass ich saß, bevor sie den Chef holte. In der Mitte des Raums stand eine gemütlich aussehende Polstergarnitur, ein geblümtes Sofa mit zwei dazu passenden Sesseln. Ich entschied mich für die Couch und ließ mich zwischen die Kissen sinken. Die Frau starrte mich noch einen Moment an, bevor sie in den ersten Stock hinaufeilte.
    Das Haus besaß noch viel von seinem altmodischen Charme -Rundbogentüren, Hartholzböden, Flügelfenster, Holzbalken an der Zimmerdecke und viele eingebaute Regale und Schränke aus Eichenholz. In jeder Ecke des quadratischen Raums war ein Arbeitsplatz untergebracht - ein Schreibtisch und ein Stuhl, ein Aktenschrank und ein Computer. Abgesehen von der nervösen Frau, die oben gerade auf der Suche nach Mr. Klinghoffner war, arbeitete im Moment nur noch eine weitere Person im Raum, eine Bohnenstange von einem Mann, der an dem Schreibtisch in der rechten Ecke saß. Ich schätzte ihn auf Ende zwanzig. Er hatte kurzes Haar und eine fleckige Haut. Vergraben in einen Berg aus Papieren, würdigte er mich keines Blickes, was mich aber nicht daran hinderte, ihn ausgiebig zu mustern. Als er schließlich doch aufblickte, lief er puterrot an und wandte sich sofort wieder seiner Arbeit zu.
    Ich fand, dass es an der Zeit war, ein bisschen Aufregung in sein Leben zu bringen. »Woran arbeiten Sie denn gerade?«
    »Bitte?« Seine Wangen leuchteten immer noch rosa. »Sprechen Sie mit mir?«
    »Ja, Sir. Das sieht ja höchst wichtig aus.«
    »Wichtig ist es nicht, dafür aber umfangreich.« Sein Blick kehrte zu dem Aktenberg auf seinem Schreibtisch zurück. »Dieser ganze Papierkram: Gesetze, Bestimmungen, Statuten, Verordnungen. Wem die Regierung nicht mit Steuern das letzte Hemd auszieht, den schüttet sie mit Papier zu. So oder so, es wird uns alle umbringen. Sie, mich, meinen Hund, Ihre Katze -«
    »Ich besitze keine Katze.«
    »Das habe ich doch nicht wörtlich gemeint!«, antwortete er entnervt. »Vergessen Sie es!«
    »Sie wirken ziemlich gestresst«, bemerkte ich.
    »Oh, bitte! Wenn ich dieses Wort noch ein einziges Mal höre, flippe ich aus! Jeder, der mit Bürokratie zu tun hat, ist gestresst. Sie ja offensichtlich nicht.«
    »Ich arbeite für das LAPD. Es gibt nichts Bürokratischeres als ein Police Department.« »Und auch nichts Korrupteres, wenn Sie mir die unverschämte Bemerkung gestatten. Woran arbeiten Sie denn gerade?«
    »So viel zum Thema Unverschämtheit.«
    »Oberste Geheimhaltungsstufe?«, erkundigte er sich in gelangweiltem Ton.
    »Unwichtig. Ich heiße übrigens Cindy Decker.« Schweigen. »Ich nehme an, Ihre Mutter hat Sie auch auf einen Namen taufen lassen?«
    »Ja, hat sie.«
    Erneutes Schweigen. Der Typ war ja ein richtiger Kotzbrocken. Sein Tisch stand an einem Fenster, gegen dessen Scheibe sich plötzlich ein weibliches Gesicht drückte. Das Mädchen hatte kurzes dunkles Haar und Schlupflider. Ihr Mund stand offen, ihre Zähne wirkten leicht dreieckig. Sie schien ziemlich klein zu sein und hielt eine Hacke in der Hand. Auf mich machte sie einen bekümmerten Eindruck. Entschlossen hob sie die Faust und klopfte gegen die Scheibe. Der Kotzbrocken blickte hoch und schenkte ihr ein kleines Lächeln, was ihn fast schon wieder menschlich wirken ließ.
    »Zurück an die Arbeit, junge Frau!«, rief er durch das Glas. »Ausruhen dürfen sich bloß alte Leute.«
    Ihre ohnehin schon gerunzelte Stirn zog sich noch mehr in Falten. Am Tonfall ihrer Antwort merkte ich, dass sie über irgendetwas schimpfte, auch wenn ich nicht verstand, worum es ging, weil sie sehr undeutlich sprach und ihre Stimme durch die Glasscheibe gedämpft klang. Der Kotzbrocken verdrehte die Augen. Dann stand er auf und öffnete die Tür. Nachdem sich die beiden einen Moment unterhalten hatten, zog das Mädchen wieder ab, und er kehrte zu seinem Papierkram zurück. »Geht es ihr nicht gut?«, fragte ich.
    Er starrte mich an. »Natürlich geht es ihr gut. Warum sollte es ihr nicht gut gehen?« »Auf mich wirkte sie gerade... ich weiß auch nicht... ein wenig verloren.«
    »Ich hoffe, als Polizistin sind Sie besser als als Psychologin«, meinte er mit einem spöttischen Grinsen. »Sie wollte nur wissen, wann es endlich Mittagessen gibt. Kaum ist

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