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Und der Herr sei ihnen gnädig

Und der Herr sei ihnen gnädig

Titel: Und der Herr sei ihnen gnädig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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Äthiopier.«
    »Richtig, ein jüdischer Äthiopier.« Koby zögerte einen Moment, dann fügte er hinzu: »Wenn ihr Zweifel habt, könnt ihr euch gern meine millah ansehen.«
    Die Jungs brachen in Gelächter aus, und Koby auch. Ich hatte den Witz nicht verstanden, lächelte aber trotzdem.
    »Ich glaube, ich spreche auch für meinen Bruder, wenn ich sage, dass wir lieber passen«, meinte Sammy. »Und da Cindy keine Anstalten macht, uns vorzustellen... ich bin Sammy, und das ist Jacob.«
    »Ihr habt mir doch noch gar keine Chance dazu gegeben«, protestierte ich. »Das ist Koby.«
    »Auch ein Yaakov«, stellte Jacob fest. »Wo in Israel hast du gelebt?«
    »In Petach Tikvah. Meine Familie lebt immer noch dort.« »Das ist in der Nähe von Kfar Saba, oder?«
    »Ja, das ist die nächste Stadt.«
    »Ich habe eine Menge Freunde aus der Jeschiwa, die dort und in Ranana leben.«
    »Ja, beide Städte sind sehr amerikanisch.«
    »Möchten Sie vielleicht noch etwas trinken, bevor wir in die Synagoge aufbrechen?«, fragte Sammy.
    »Nein, vielen Dank.« Er warf einen Blick auf seine Uhr. »Es ist Zeit, die Kerzen anzuzünden.«
    Koby und ich sprachen beim Anzünden beide den Segen, auch wenn ich im Gegensatz zu ihm den Sinn der Worte nicht verstand. Als wir fertig waren, wünschten wir einander Sbabbat Shalom. Rina zündete Kerzen für ihre Familie an. Wenige Minuten später waren wir auf dem Weg zur Synagoge.
    Eins musste man meinem Stiefbruder Sammy lassen, keiner quasselte so viel wie er. Als wir den kleinen Laden erreichten, der als das orthodoxe Gotteshaus des Viertels diente, wusste ich, dass wir nicht zusammensitzen würden. Bevor sich unsere Wege trennten - die Männer gingen auf die eine Seite der Wand, die Frauen auf die andere -, fragte ich ihn, was das Wort »millah« bedeute. Ohne mit der Wimper zu zucken, antwortete er: Beschneidung.
    Ich schaffte es, das Lachen zu unterdrücken, bis ich auf meiner Seite der Trennwand war.
    *
    Das orthodoxe Judentum war eine Religion der festen Bräuche, und am Essenstisch bestand der erste Programmpunkt stets darin, die metaphorische Sabbat-Braut mit einem Lied namens »Shalom Aleichem« willkommen zu heißen. Im Anschluss an diese Ode wurde der eigentlichen Frau des Hauses Tribut gezollt - mit einem Gedicht aus den biblischen Sprüchen, das den Titel Eshet Chayil oder »Frau von Tapferkeit« hatte. Ich habe den englischen Text ein paar Mal gelesen, es geht dabei im Wesentlichen um eine Frau, die ohne Murren vor sich hin rackert, um ihren Mann und ihre Familie zu versorgen - Worte, die in der postfeministischen Welt ein wenig seltsam und hohl klingen. Ich war schon oft zum Sabbat-Essen bei der Familie meines Vaters, und immer wenn dieser Teil an der Reihe war, murmelte mein Vater, der nicht mit einer Singstimme gesegnet war, die Zeilen bloß halblaut vor sich hin.
    An diesem Abend aber war das völlig anders. Mein Vater sang, unterstützt von meinen Stiefbrüdern, die den hebräischen Text im Schlaf konnten und mit ihren klaren Stimmen sehr schön und ausdrucksvoll sangen, während sie Rina anlächelten. Am meisten aber überraschte mich Koby, der mit tiefer, kristallklarer Stimme und einem frischen, schönen Hebräisch in den Gesang meiner Stiefbrüder einstimmte. Hier saß ein schwarzer Mann aus Afrika mit meiner weißen Familie aus Los Angeles zusammen, die er noch keine zwei Stunden kannte, und war bereits besser integriert als ich. Das zeigte mir mal wieder, dass ein traditioneller Sabbat wirklich alle kulturellen Grenzen überwand. Als der Refrain kam und die Männer spontan mehrstimmig sangen, hatte ich plötzlich gegen meinen Willen einen Kloß im Hals.
    Schon nach kurzer Zeit herrschte am Tisch eine entspannte Atmosphäre. Alle ließen sich das köstliche Essen schmecken und erzählten, was sie während der Woche erlebt hatten. Die Familie meines Vaters war lebhaft und laut, und die Sprechgeschwindigkeit meiner Stiefbrüder, kombiniert mit den ständigen Unterbrechungen durch Hannah, machten es mir manchmal schwer, dem Gespräch zu folgen. Wenn sich in dieser Runde überhaupt jemand unwohl fühlte, dann ich. Obwohl ich zur Familie gehörte, empfand ich mich gelegentlich als Außenseiterin, weil von den anderen immer wieder auf hebräische, israelische oder religiöse Themen Bezug genommen wurde. Koby dagegen schien völlig in seinem Element zu sein. Er war ein guter Erzähler, weil sein Leben ihm viel Rohmaterial für interessante Geschichten geliefert hatte.
    »Meinen

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