Und der Herr sei ihnen gnädig
Diskussion.« Rina seufzte. »In meinem Herzen weiß ich ja, dass du Recht hast. Ich finde nur... dass sie es verdient hätte zu erfahren, was damals passiert ist.«
»Sie hat kein Problem damit, es nicht zu wissen. Du bist diejenige, die neugierig ist.«
Decker rieb sich die Schläfen. »Rina, nach allem, was sie uns erzählt hat, könnte ihre Mutter auch von ihrem Vater umgebracht worden sein -« »Nein!« Rina starrte ihn entsetzt an.
»Wer weiß?«, erwiderte Decker. »Du hast doch selbst gehört, was für eine problematische Beziehung die beiden hatten. Wie würdest du dich fühlen, wenn das bei deinen Nachforschungen herauskäme?«
Sie schwieg.
»Es gibt ein paar ungelöste Fälle, die mich immer noch beschäftigen, aber ich habe gelernt, damit zu leben.«
»Dabei geht es aber nicht um deine Großmutter.«
»Dann sprich mit ihr, wenn ich nicht dabei bin. Ich werde jedenfalls an keinen solchen Täuschungsmanövern mehr teilnehmen.«
»Also gut«, gab Rina nach. »Du bist der Detective, ich vertraue auf dein Urteil.« »Danke. Nachdem wir das geklärt haben, möchte ich dir noch von meiner Idee erzählen. Ich habe deine Mutter nicht ohne Grund nach ihren Kindheitsfreundinnen gefragt. Für sie sind es schmerzhafte Erinnerungen, aber für Martha Lübke wäre es wahrscheinlich gar nicht schmerzhaft - vorausgesetzt, sie lebt noch und es gelingt mir, sie aufzuspüren... und vorausgesetzt, sie erinnert sich überhaupt noch an diese Zeit.« Rina sah ihren Mann bewundernd an.
»Ja... ich bin gut in meinem Job.« Er knöpfte den Bund seiner Hose auf und zog sein Hemd heraus. »Ich hab zu viel gegessen.«
»Ich werde uns morgen Abend was besonders Leichtes machen.«
»Die nächsten sechs Abende, bitte.«
»Vielen Dank, Peter, dass du das für mich gemacht hast.«
»Ja, ja.« Er betrachtete sie einen Moment lang mit gespielter Strenge, dann drückte er seiner Frau einen Kuss auf die Lippen. »Gern geschehen. Ich liebe dich.«
»Ich liebe dich auch.« Rina erwiderte seinen Kuss.
Er stand auf. »Ich werde mir jetzt mit deinem Vater und Hannah ein bisschen Animal Planet ansehen. Als ich das letzte Mal zu ihnen reingeschaut habe, lief gerade ein Beitrag über vietnamesische Hängebauchschweine. Da würde ich gut dazupassen.«
25
Die E-Mail, die am Mittwochmorgen von Koby eintraf, lautete nur:
Mache immer noch Überstunden. Melde mich bald. Koby
Er hatte sich nicht mal die Mühe gemacht, mich mit Namen ansprechen. Und liebe Grüße hatte er auch nicht geschrieben - einfach nur Koby.
Ich hatte verstanden.
Ich sparte mir eine Antwort.
Das konnte ich also auch wieder vergessen.
»Zur Hölle mit ihm«, flüsterte ich, während ich mir die Tränen aus dem Gesicht wischte.
Es war anstrengend, in meiner regulären Dienstzeit Streife zu fahren und in meiner Freizeit zu ermitteln, aber Arbeit war ja bekanntlich ein guter Ersatz für ein nicht vorhandenes Privatleben. Ich überlegte, ob ich einen Termin mit David Tylers Vermögensverwalter vereinbaren sollte, beschloss dann aber, persönlich vorbeizuschauen.
Century City ist das so genannte Geschäftsviertel von Los Angeles. Das ganze Gebiet hatte einmal den Fox Studios gehört, aber mittlerweile dominierten dort Bürohochhäuser mit Tiefgaragen, in denen man exorbitante Preise zahlte.
Raymond Paxtons Büro lag im einundzwanzigsten Stock. Als ich aus dem Aufzug trat, sah ich links bereits den Eingang zu der Kanzlei. Auf einem Messingschild prangte sein Name. Seine Sekretärin, eine junge Asiatin mit Pferdeschwanz, begrüßte mich mit dem üblichen: »Kann ich Ihnen helfen?«
»Ich würde gern mit Mr. Paxton sprechen, habe allerdings keinen Termin«, erklärte ich.
»Das könnte ein Problem werden«, antwortete sie. »Er ist bis nach eins völlig ausgebucht. Dann hat er ein Geschäftsessen.«
Das bedeutete, dass er sich in der Kanzlei befand. Ich beschloss, die Gelegenheit beim Schopf zu packen, und hielt ihr meine Marke hin.
Nun wirkte sie ein wenig beunruhigt. Sie fingerte am Kragen ihrer roten Seidenbluse herum. »Worum geht es?«
»Um David Tyler. Und es dauert wahrscheinlich nur ein paar Minuten.«
»Ich glaube nicht, dass mir der Name etwas sagt«, meinte sie.
»Aber Mr. Paxton wird er bestimmt etwas sagen.«
Sie griff nach dem Telefon und sprach leise in den Hörer. Einen Moment später kam Paxton heraus. Er war knapp eins achtzig groß und trug einen silbergrauen Anzug, ein schwarzes Hemd und eine schwarze Krawatte. Er selbst war auch schwarz, und
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