und der tanzende Derwisch
soll das heißen, ›kommt
nicht in Frage‹?«
»Wenn wir je hier herauskommen, ist der Laster unsere
einzige Hoffnung. Wozu braucht er den Schlüssel? Will er den
Wagen verkaufen?«
»›O Kleingläubiger‹« zitierte Mrs. Pollifax rügend.
»Vielleicht will er das Geld als Bestechung benutzen, um uns
freizubekommen. Schicken Sie ihm den Schlüssel hoch!« »Verdammt, er ist erst neun!«
»Ganz bestimmt ist uns der Laster hier drinnen von keinem
Nutzen, Max!« sagte sie scharf. »Unterschätzen Sie Ahmad
nicht, er ist ein schlauer kleiner Bursche. Schicken Sie ihm den
Schlüssel hoch!«
»Halten Sie das wirklich für klug?«
»Sie könnten die Alternative bedenken«, entgegnete sie
trocken.
Max seufzte. »Nun, es ist wahrhaftig loyal von ihm, daß er
uns nicht aufgegeben hat. Außer natürlich, Sie bedrohen ihn mit
einer Waffe, daß er das tut.«
Sie rümpfte die Nase. »Ich hatte keine Ahnung, daß Sie unter
Paranoia leiden, Max.«
»Die mitgenommenen Nerven eines Klaustrophoben lassen
Sie wohl nicht gelten?«
Sie ging nicht darauf ein, sondern sagte ungeduldig: »Wenn
Saleh unseren Wage n gefunden hat und den Schlüssel haben
will, glauben Sie nicht, daß er da einfach hereinspazieren und
ihn von uns verlangen würde?«
»Da haben Sie natürlich auch wieder recht«, gab er großmütig
zu. »Offenbar macht dieses Loch mich fertig! Sidi Tahar...?« Sidi Tahar lachte. »Ali der Löwe, Kalif des Islams, hat von
drei Dingen gesprochen, die nie wieder zurückzuholen sind, das
letzte davon ist eine verpaßte Gelegenheit.«
»Ich werde nicht fragen, was die anderen sind«, sagte Max.
»Also packen wir die Gelegenheit beim Schopf und sehen,
wohin uns das führt.« Er holte den Schlüssel aus seiner Tasche,
knüpfte ihn sorgfältig an das Schnurende, zog daran, und
sogleich verschwand es aus seiner Hand in die Dunkelheit. Sie
wußten, daß es das Gitter erreicht hatte, als die Silhouette einer
Hand erschien und dem Schlüssel zwischen den Stäben
hindurchhalf. Danach verschwanden sowohl Hand wie
Dunkelheit, und es fiel wieder Licht durch das Loch.
»So weit, so gut«, sagte Max grimmig. »Wir hatten unseren
Spaß. Was wird jetzt passieren?«
»Was als nächstes geschieht«, antwortete Sidi Tahar ruhig,
»steht bereits geschrieben.«
Mrs. Pollifax reagierte auf die friedliche Gelassenheit seiner
Stimme und entspannte sich. »Wir müssen Ihnen wohl als sehr
ungeduldig vorkommen.«
»Das sind Europäer vermutlich tatsächlich«, antwortete er.
»Und Amerikaner. Es gibt eine Geschichte von einem König,
der alle seine weisen Männer zu sich in den Palast rief und dem
eine hohe Belohnung versprach, der ihm in einen Satz alle
Weisheit des Lebens fassen könnte; nur ein einziger Satz, der
auf jedes Ereignis im Leben zutreffen würde.«
»Und?« fragte Mrs. Pollifax lächelnd.
Sidi Tahar schmunzelte. »Der Weiseste von allen schrieb nur
vier Worte: Auch das wird vorübergehen. Und das gilt für uns,
die wir in dieser dunklen Hütte kauern, ebenfalls: auch das wird
vorübergehen.«
»Ja, es wird vorübergehen«, brummte Max. »Aber wie? Bedenken Sie, daß die Polizei jeden Moment hier sein kann und
uns festnimmt, oder noch schlimmer ...«
»Das sind Worte«, unterbrach ihn Sidi Ta har kopfschüttelnd,
»die wie Dolchstöße sind, die den Seelenfrieden
beeinträchtigen! Bemühen Sie sich um innere Ruhe — seien Sie
über der Welt, losgelöst!«
Max schwieg, doch Mrs. Pollifax spürte, wie seine
klaustrophobische Panik wieder wuchs und ein Eigenleben
gewann, als wäre sie eine vierte Person im Raum. Sie hoffte,
daß er sich wenigstens ruhig verhalten würde. Ihre Aussichten,
seine und ihre, waren nicht rosig, aber dank dem Umstand, daß
sie Ausländer waren, nicht hoffnungslos. Sidi Tahars Zukunft
dagegen sah gar nicht gut aus. Er war Bürger dieses Landes und
konnte deshalb des Hochverrats bezichtigt werden. Es war
besser, nicht daran zu denken, was ihn erwartete. Statt dessen
dachte sie an Ahmad, der ein bißchen Güte mit solcher Treue
und Ergebenheit lohnte. Sie spürte wieder, wie er vertrauensvoll
seine Hand in ihre schob, sah sein plötzliches strahlendes
Lächeln. Und dann dachte sie an Cyrus, der noch in Kenia war
und annahm, daß sie sicher zu Hause saß. Was immer vor ihr
lag, würde nicht leicht sein; man wußte, daß sie mit dem
falschen Max Janko von Fes abgefahren war und daß er nicht
mehr lebte. Man würde sie zweifellos des Mordes an ihm
anklagen, und Carstairs konnte ihr nicht helfen. Das war ihr bei
jedem
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