und der tanzende Derwisch
kein Tanz.« Mrs. Pollifax legte ihre Hand auf die
Magengegend und wartete.
Ȇberkreuzen Sie jetzt die Arme, legen Sie die rechte Hand
auf die linke Schulter, die linke auf die rechte Schulter.« Er nickte. »Drehen Sie sich gegen den Uhrzeigersinn, aber langsam, erst nach links, dann rund herum.« Mit verschränkten Armen drehte sie sich, schaffte es jedoch nur zweimal, ehe ihr schwindlig wurde und sie innehalten mußte. Sidi Tahar lächelte. »Sie haben sich nicht auf Ihr Zentrum konzentriert. Versuchen Sie es noch einmal, doch diesmal drehen Sie sich, ohne den
linken Fuß vom Boden zu nehmen.«
Sie starrte ihn verblüfft an. »Ohne meinen linken Fuß ... Aber
das ist unmöglich!«
Er lachte. »Sie heben den rechten Fuß, stellen ihn an die
andere Seite des Seines und drehen sich. Aber drehen Sie sich,
ohne den linken Fuß zu bewegen, als wäre er auf den Boden
genagelt. Tatsächlich schlug man früher zwischen den Zehen
des linken Fußes einen großen Nagel in den Boden, damit er nie
die Erde verlassen konnte.«
Mrs. Pollifax versuchte es, drehte sich unbeholfen und sackte
auf die Teppiche neben Max. Als sie wieder Atem fand, lächelte
sie Sidi Tahar an. »Dazu gehört mehr, als ich dachte.« »Hinter allem ist mehr als man glaubt«, entgegnete er. »Das
›Drehen‹, das Tanzen führt einen zu dem stillen Punkt des
Universums, und wie könnte das so leicht zu lernen sein?« Verärgert sagte Max: »Das ist lächerlich, verdammt! Ist Ihnen
denn nicht klar, daß wir überlegen müssen, was wir tun und
sagen sollen? Wir müssen uns etwas ausdenken, unsere
Aussagen aufeinander abstimmen ... Die Polizei kann jeden
Augenblick da sein, und, großer Gott, Sie wollen Tanzunterricht
nehmen!«
Mrs. Pollifax blickte Sidi Tahar an und lächelte, dann wandte
sie sich an Max. »Sie sehen es nicht richtig. Er würde uns unter
keinen anderen Umständen einweihen. Er tut es jetzt nur, um
uns abzulenken.«
Max deutete auf das Gitter im Dach. »Das ist ja schön und
gut, aber sehen Sie denn nicht, wie dunkel es schon wird? Uns
bleibt nicht mehr viel Zeit zum Planen!«
Sidi Tahar runzelte die Stirn. »Es kann noch nicht dunkel
sein. Der Muezzin hat noch nicht zum Sonnenuntergangsgebet
gerufen.«
Was Sidi Tahar sagte, stimmte. Auch nach Mrs. Pollifax'
Armbanduhr konnte es noch nicht Sonnenuntergang sein.
Verwundert erhob sie sich und trat in die Mitte der Hütte, um zu
dem Loch im Dach hochzuspähen, durch das kein Tageslicht
mehr drang. »Jemand hat das Gitter bedeckt.« Sie spürte etwas
ihre Nase kitzeln und wich ungeduldig zur Seite, doch eine
Sekunde später kitzelte es sie wieder. Da sie annahm, es wären
Spinnweben, hob sie die Hand, um sie wegzuwische n, doch da
spürte sie etwas Festeres. »Sehen Sie!« keuchte sie. »Eine
Schnur!« Sie legte den Kopf zurück und sagte: »Jemand muß da
oben über dem Gitter liegen, deshalb ist es hier so dunkel.« Sie kamen näher, um sich ihre Entdeckung anzusehen. Sie
ließ die Schnur durch die Finger gleiten. »Sehen Sie — fühlen
Sie —, am Schnurende ist ein kleiner Stein befestigt!«
Aufgeregt sagte sie: »Max, das kann nur Ahmad sein, niemand
sonst. Er ist also noch in Zagora und versucht uns zu helfen!« Max griff nach der Schnur, und seine Finger folgten ihr bis zu
dem Stein am Ende. »Sie hängt bestimmt an etwas oder
jemandem da oben - und schauen Sie! Um den Stein ist ein
Stück Papier gewickelt. Haben wir ein Streichholz?« Sidi Tahar brachte ihnen seine Kerze und zündete sie an. Jetzt
gab es keinen Zweifel mehr: Jemand auf dem Dach hatte ihnen
eine Botschaft heruntergelassen. Mrs. Pollifax strich das Papier
glatt und sah zwei kindliche Bleistiftzeichnungen. Im
flackernden Kerzenschein studierten sie sie und überlegten, was
sie bedeuten könnten. Eine mochte einen Schlüssel darstellen,
und die darunter waren zwei Kreise in einer Art Schachtel. Max deutete auf die letztere. »Das könnte ein Lastwagen sein,
die beiden Kreise sind Räder.«
»Das andere sieht wie ein Schlüssel aus«, sagte Mrs. Pollifax.
»Was bedeuten diese arabischen Zeichen ganz unten?« Max antwortete aufgeregt: »Es ist wirklich von Ahmad! Er
hat unterschrieben. Sie haben recht — er ist hiergeblieben und
hat uns gefunden und ist jetzt auf dem Dach!« Mrs. Pollifax
dankte ihm stumm, und ihr wurde ganz warm ums Herz. »Ich
glaube, er möchte, daß wir ihm den Wagenschlüssel
hochschicken.«
Max starrte sie entsetzt an. »Aber warum? Das kommt nicht
in Frage!«
Mrs. Pollifax sagte verärgert: »Was
Weitere Kostenlose Bücher