und der tanzende Derwisch
zu einem so entscheidenden Zeitpunkt in Thailand begegnet war. Das fiel ihm schwer, denn damals war er ein anderer gewesen, völlig mit seiner eigenen geheimen Mission beschäftigt; er war reizbar gewesen und ungeduldig bei jedem Hindernis, und Mrs. Pollifax hatte er als ein solches angesehen. Sein erster Eindruck war gewesen, daß sie eine überspannte Touristin war und - er lächelte leicht - es darauf abgesehen hatte, ihn zu beleidigen. Doch als er hilflos im Fieberwahn im Regenwald lag, hatte sie ihn nicht im Stich gelassen, und nur ihr und ihrem Thai-Begleiter verdankte er, daß er überlebt hatte. Er hatte sich später revanchieren können, indem er ihr und ihrem Mann half, aber es hatte ihn nie interessiert, weshalb sie sich in einem so unwegsamen, wilden Gebiet befunden hatte. Jetzt, da er wußte, wer und was sie war, sah er die Sache mit anderen Augen. Was er damals als Beleidigungen empfunden hatte, gestand er sich nun ein, war lediglich Geradheit gewesen; er hatte sie so gereizt wie sie ihn, darum auch die gegenseitige Ungeduld. Und als er sich an seine Aufgeblasenheit erinnerte, wand er sich innerlich. Wenn sie imstande gewesen war, sein Leben zu retten und das ihres Mannes, dann war sie wohl auch durchaus fähig, ihr eigenes zu erhalten. Aber wie, fragte er sich, und wo war sie, und was würde sie tun? In Thailand hatte sie einen kühlen Kopf bewahrt. Sie verfügte über Entschlußkraft, Durchhaltevermögen und Einfallsreichtum. Hatte sie sich irgendwo versteckt, oder war sie unterwegs?
Er fragte sich: Was würde ich in ihrer Lage tun? Und dann: Im Land der Blinden würde ich mich blind stellen.
»Aha!« rief er triumphierend. »Genau!« Er lächelte. Er wußte etwas, was außer ihm niemand wußte, wie er annahm, und das war der letzte Name auf der Liste, die Mrs. Pollifax mitbekommen hatte: Khaddour Nasiri in der kleinen Ortschaft Rouida. Wenn sie erwischt wurde, ehe sie dort ankam - wenn man sie in irgendeinem Versteck in Erfoud entdeckte, oder auf dem Weg nach Ouarzazate oder Zagora -, gäbe es absolut nichts, was er für sie tun könnte. Die Fahndung war zu gut organisiert. Glückte es ihr dagegen, Rouida zu erreichen, könnte er sogar sehr viel für sie tun.
Er würde doch nicht in Ouarzazate anhalten, sondern direkt nach Rouida fahren.
Er hielt am Straßenrand an und holte seine Brieftasche heraus. Aus einer Auswahl gefälschter Ausweise und Reisepässe suchte er einen Presseausweis auf den Namen Ambrose Cunningham mit seinem Paßfoto heraus. Das und seine Kamera müßten genügen, ihm einen Laisser-passer, einen Passierschein, zu verschaffen, der ihn durch die militärische Straßensperre vor Rouida brachte. Sein Reiseführer erklärte nicht, weshalb aller Verkehr auf der Straße nach Rouida angehalten und überprüft wurde, doch ein Blick auf die Karte verriet es ihm: die Ortschaft lag keine vierzig Kilometer von der algerischen Grenze entfernt.
Seine Entscheidung erfüllte ihn mit Hochstimmung, so wagemutig sie sich auch erweisen mochte. Zum Teufel mit Ouarzazate und Jenkins, dachte er. Er würde sich den erforderlichen Passierschein in Zagora besorgen und dann direkt nach Rouida fahren - als Ambrose Cunningham, Bildberichterstatter eines großen Nachrichtenmagazins, auf der Suche nach Wüstenmotiven.
17
In Zagora war Mrs. Pollifax eingeschlafen, als Max sie stupste und flüsterte: »Horchen Sie!« Und zu Sidi Tahar: »Hören Sie es auch?«
Sidi Tahar beugte sich hinter der flackernden Kerze vor und antwortete leise: »Ja, draußen, vor der Wand hinter mir tut sich was.«
Mrs. Pollifax lauschte und runzelte die Stirn. »Es hört sich wie ein Wagen mit laufendem Motor an. Was kann es sein?«
»Aber er hält nicht an«, gab Max zu bedenken. »Ein Wagen müßte wegfahren, und wenn es die Polizei wäre, würde sie zweifellos vor dem Souk halten und durch die Tür dort drüben kommen.«
Sidi Tahar lehnte sich dichter an die Wand und lauschte. »Es entfernt sich nicht, es ist sehr nahe - nur Zentimeter entfernt.«
Mrs. Pollifax, jetzt hellwach, stand auf. »Das ist kein Personenwagen - Max, ich glaube, es ist ein Laster!«
Ungläubig entge gnete Max: »Aber wieso, was - was macht er? Was will er hier?«
Das Motorengeräusch schwoll plötzlich an, der Motor lief nicht mehr leer, und als er immer lauter wurde, zogen sie sich in die Mitte der Hütte zurück und standen dicht beisammen, angespannt und verwundert. Sie empfanden Furcht, mehr aber noch Neugier.
»Sehen Sie!« rief Sidi Tahar und
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