und der tote Richter
weg.
In Chipping Campden verwarf sie ihr Vorhaben, ein paar Pfund abzunehmen, und gönnte sich ein Steak and Kidney Pie in der antiken Behaglichkeit des Eight Bells, bevor sie die Hauptstraße mit ihren grünen Hecken entlangschlenderte. Bewundernd sah sie sich die Sandsteinhäuser mit ihren spitzen Giebeln, hohen Schornsteinen und Bogengängen, den Ziergiebeln, Säulen, den Sprossenfenstern, zweiflügeligen Läden und den breiten, flachen Stufen an. Trotz der unvermeidlichen Touristen, wirkte alles ruhig und beschaulich. Wohlig satt von ihrer Fleischpastete, fühlte Agatha sich wieder ein wenig versöhnt mit der Welt. In der Dorfmitte stand die Markthalle von 1627, deren kurze dicke Säulenschwarze Schatten auf die Straße warfen. Das Leben könnte so unkompliziert sein. Sie brauchte nichts weiter zu tun, als Cummings-Brownes Tod zu vergessen.
Während der nächsten Tage blieb es sonnig. Agatha streifte weiter umher, teils mit dem Rad, teils zu Fuß. Und abends erlebte sie ein neues Gefühl von gesunder Erschöpfung. Als jedoch der Ausflug der Carsely-Damen nahte, wurde ihr mulmig zumute.
Ihre Sorge war unbegründet, stellte sie fest. Beim Einsteigen in den Bus blickten ihr keine wütenden Gesichter entgegen. Sie freute sich, Mrs. Doris Simpson zu entdecken, und setzte sich neben sie, um mit ihr über dies und jenes zu plaudern. Die Frauen im Bus waren zumeist mittleren Alters. Einige hatten Strickzeug dabei, andere Stickarbeiten. Der Wagen ächzte rumpelnd die Landstraße hinunter, die Sonne schien, und alles war friedlich.
Agatha nahm an, dass das Unterhaltungsprogramm der Damen von Mircester aus Tee und Kuchen bestand, und hatte vor, sich nicht zurückzuhalten. Immerhin hatte sie sich die letzten Tage sehr viel bewegt, da durfte sie sich ruhig mit etwas Kuchen verwöhnen. Im Gemeindesaal von Mircester aber erwartete sie ein komplettes Mittagessen samt Wein. Letzteren hatten die Mitglieder der Damengesellschaft von Mircester selbst gekeltert, und er war hochprozentig. Zum Mittagessen servierten sie eine klare Suppe, Brathühnchen mit Pommes frites und grünen Bohnen und einen Sherry-Trifle zum Dessert. Es folgte ein Apfelcognac, für den Mrs. Rainworth, ein verknöchertes altes Mütterchen, tosenden Applaus bekam.
Die Vorsitzende der Mircester-Damen stand auf. »Wir haben eine Überraschung für Sie«, wandte sie sich an Mrs.Bloxby. »Wenn die Damen bitte in ihrem Bus zum Malvern Theatre fahren wollen. Dort sind Plätze für uns reserviert.«
»Und was sehen wir uns an?«, fragte Mrs. Bloxby.
Die Mircester-Damen johlten und lachten. »Warten Sie es ab.«
»Ich frage mich, was das sein kann«, sagte Agatha zu Doris Simpson, als sie wieder in den Bus stiegen. Nun waren sie wieder bei Doris und Agatha. »Weiß ich nicht«, sagte Doris. »Irgendein Kindertheater hat dort mal etwas aufgeführt. Vielleicht ist es das.«
»Puh, ich habe zu viel getrunken! Wahrscheinlich schlafe ich sowieso gleich ein.«
»Na, das ist ja eine Überraschung«, sagte Doris, kaum dass der alte Bus vor dem Theater hielt. »Da steht All-American Dance Troupe .«
»Das ist sicher eine dieser modernen Ballett-Truppen.« Agatha stöhnte. »Alle tanzen in schwarzen Strumpfhosen auf einer Bühne herum, die wie ein Trümmerhaufen aussieht. Tja, ich hoffe, die Musik ist nicht zu laut.«
Drinnen machte sie es sich mit den anderen Mitgliedern der Carsely-Damengesellschaft gemütlich.
Ein Trommelwirbel erklang, und der Vorhang ging auf. Agatha blinzelte. Das war ja eine Männer-Striptease-Show! Die Musik wummerte und pulsierte, und Lichtkegel huschten über die Bühne. Agatha sank tiefer in ihren Sessel, ihr Gesicht glühte vor Scham. Mrs. Rainworth, die Erfinderin des Apfelcognacs, stand auf ihrem Sitz und schrie hysterisch: »Ausziehen!« Fast alle Frauen kreischten und riefen derbe Aufforderungen. Agatha war froh, dass Doris Simpson ihr Strickzeug hervorgeholt hatte und weder von dem Geschehen auf der Bühne noch vom Benehmen des Publikums etwas mitzubekommen schien. Die Stripper waren braungebrannt und muskulös. Sie zogen sich nicht vollständig aus, und ihre anzüglichen Bewegungen erinnerten Agatha an Affen. Keck, aber harmlos. Die meisten Damen indes waren außer Rand und Band. Eine blondierte Mittfünfzigerin, die zu den Mircester-Damen gehörte, wollte die Bühne stürmen und musste von den anderen zurückgehalten werden.
Agatha litt schweigend. Betrüblicherweise endete ihre Pein nicht mit der Show. Die Frauen aus dem Publikum
Weitere Kostenlose Bücher