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Und der Wind erzaehlt von Zaertlichkeit

Und der Wind erzaehlt von Zaertlichkeit

Titel: Und der Wind erzaehlt von Zaertlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Garwood
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abscheuliches Monster war, denn die blaue Farbe überdeckte jeden Zug. Seine Augen konnte sie allerdings ganz hervorragend erkennen. Sie hatten die Farbe der Finsternis und strahlten etwa soviel Wärme und Trost aus wie eine geballte Faust, die auf sie zuschoß. Seine Knochenstruktur schien jedenfalls intakt zu sein. Er hatte eine gerade Nase, hohe Wangenknochen und einen hart wirkenden Mund. Sein Haar war fast schulterlang – zu lang! – und tiefschwarz. Seltsam, aber es schien sauber zu sein.
    Obwohl sie ihn anstarrte, sah sie keinerlei Bewegung, und doch plötzlich lag seine Hand über ihrer. Etwas dümmlich schaute sie herab, als er ihre Hand hinter ihrem Rücken vorzog und ihr sanft den Dolch aus den Fingern wand.
    Sie hatte angenommen, daß er die Waffe entweder wegwerfen oder einstecken würde, um ihr zu bedeuten, wer nun das Sagen hatte, doch er überraschte sie, indem er den Dolch wieder in die Lederscheide zurückschob, die an dem Gürtel um ihre Hüften hing.
    »Danke«, flüsterte sie, bevor sie es verhindern konnte.
    Was zum Teufel war los mit ihr? Warum dankte sie ihm? Er hatte ihr doch soeben den Schrecken ihres Lebens eingejagt! Sie hätte ihn laut schreiend angreifen sollen, um ihm klarzumachen, wie unverschämt es von ihm war, sie auch noch zu berühren! Doch, lieber Gott, wie sollte sie ihn anbrüllen, wenn sie kaum ein Flüstern herausbrachte? Im übrigen konnte sie mit dem kleinen Dolch wohl kaum etwas gegen ihn ausrichten. Was wahrscheinlich auch der Grund dafür war, daß er ihn ihr ließ. Die Aura der Stärke, die ihn umgab, ließ darauf schließen, daß er nicht einmal zusammenzucken würde, wenn sie versuchte, ihn zu verwunden.
    Aber dieser Riese war weder ein Gott, noch ein Dämon. Er war nur ein Mann – vielleicht schrecklich primitiv und beängstigend, aber immer noch nur ein Mann! Und jeder Mensch, der nur einen Funken Verstand hatte, wußte schließlich, daß Frauen klüger als Männer waren. Ihre Mutter hatte ihren Töchtern diese Weisheit oft genug vermittelt – wenn auch nie in Gegenwart ihres Vaters –, und ihre Mutter hatte immer die Wahrheit gesagt. Aber sie war nicht nur ehrlich, sondern auch sehr rücksichtsvoll gewesen, und so hatte sie niemals etwas gesagt, das einem anderen hätte weh tun können.
    Brenna dachte nicht daran, dem Beispiel ihrer Mutter zu folgen. Sie würde ein wenig freundlich sein, aber bestimmt nicht vollkommen aufrichtig. Sie würde niemals aus dieser prekären Lage herauskommen, wenn sie die Wahrheit sagte.
    »Ich kann mich nicht an Euch erinnern.«
    Er zuckte die Achseln. Es schien ihn nicht zu kümmern, ob sie sich erinnern konnte oder nicht.
    »Hier scheint ein Mißverständnis vorzuliegen«, begann sie erneut. Diesmal klang ihre Stimme kräftiger. »Ich habe keinesfalls auf eine Antwort auf meinen Antrag gewartet. Außerdem war ich damals ja noch ein Kind. Ihr habt doch gewiß nicht die ganzen Jahre über darüber nachgedacht, ob Ihr mich heiraten wollt oder nicht.« Der Mann mußte doch Wichtigeres im Kopf haben. »Eure Krieger haben sich über mich lustig gemacht, nicht wahr?«
    Stumm schüttelte er den Kopf. Ihre Kehle begann zu schmerzen, als der Drang, ihn anzubrüllen, langsam übermächtig wurde. Offenbar war er genauso minderbemittelt wie seine Gefolgsleute, wenn auch leider längst nicht so umgänglich. Wie sollte sie jemals zu ihm durchdringen?
    Ihr Vater würde sie erwürgen, wenn er von ihren Heiratsanträgen hörte. Der Gedanke bereitete ihr tatsächlich ein paar Augenblicke Sorgen, bis ihr aufging, wie lächerlich er war. Papa hätte eine Armee zusammentrommeln müssen, um sie umzubringen, denn zuvor mußte er an diesem schweigsamen Krieger und seinen Männern vorbeikommen … und MacNare! Lieber Himmel, den hatte sie ja ganz vergessen. MacNare würde sicherlich aus der Haut fahren, wenn er von den Jugendsünden seiner zukünftigen Braut erfuhr!
    Brenna sah nur einen Weg, um aus diesem Dilemma zu kommen. Sie mußte diesem Barbaren bewußt machen, daß sie es eilig hatte.
    »Ich muß jetzt gehen. MacNare wird sicher kein Verständnis dafür haben, wenn ich zu spät komme. Er wird schon eine Eskorte losgeschickt haben, die mir entgegenreiten soll. Ich möchte nicht, daß irgend jemand verletzt wird, nur weil es zwischen Euch und mir ein kleines, dummes Mißverständnis gibt.«
    Der Barbar streckte plötzlich die Hände aus und griff nach ihr. Seine großen Hände packten ihre Schultern sehr fest, was sie als stumme Botschaft deutete,

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