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Und die Großen lässt man laufen

Und die Großen lässt man laufen

Titel: Und die Großen lässt man laufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Per Wahlöö Maj Sjöwall
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und hysterisch. Ihre einzige Begründung für die Tat war, das Gör habe geschrien und nicht gehorchen wollen.
    Mindestens zwanzig mehr oder weniger blutige Schlägereien allein in der Innenstadt. Wie die Berichte aus den modernen Slums in den Vororten aussehen mochten, wollte Gunvald Larsson sich gar nicht erst vorstellen. Das Telefon klingelte. Er ließ es eine Weile läuten, bevor er den Hörer abnahm. »Larsson.« Ein verbissenes Grunzen. Der Türke mit dem aufgeschlitzten Bauch war im Südkrankenhaus seinen Verletzungen erlegen. »Aha«, sagte er indifferent. Er fragte sich, ob der Mann wirklich hätte sterben müssen. Die Krankenhäuser waren überlastet. Ganze Abteilungen wurden in den Sommermonaten wegen Personalmangels und der Urlaubszeit stillgelegt. Überdies herrschte großer Mangel an Blutspendern. Den Messerstecher hatte man bereits gefaßt. Eine Streifenwagenbesatzung hatte ihn in einer Rauschgifthöhle in einem abbruchreifen Haus in Birkastaden entdeckt und festgenommen. Er war bei der Festnahme völlig groggy gewesen und nicht in der Lage, Fragen zu beantworten. Das blutige Stilett hatte er noch bei sich gehabt. Gunvald Larsson hatte sich den jungen Mann eine halbe Minute angesehen und dann den Polizeiarzt holen lassen.
    Von den Raubüberfällen abgesehen, die sorgfältig geplant gewesen zu sein schienen, waren alle anderen Verbrechen spontan begangene Delikte, die man beinahe Unfällen gleichsetzen konnte.
    Täter waren unglückliche, von Streß aus dem Gleichgewicht gebrachte Menschen, die gegen ihren Willen in desperate Situationen getrieben worden waren. In fast allen Fällen spielte Rauschgift oder Alkohol eine entscheidende Rolle. Das lag vielleicht an der Hitze, vor allem aber am System, am unerbittlichen Mechanismus der Großstadt, der die Schwachen und Unangepaßten zerrieb und sie zu sinnlosen Handlungen trieb. Und dann die Einsamen. Gunvald Larsson fragte sich, wie viele Selbstmorde in den letzten vierundzwanzig Stunden begangen worden waren. Er war fast erleichtert, daß es noch ein bißchen dauern würde, ehe ihm diese Zahlen zur Kenntnis gelangten. Die Unterlagen befanden sich noch in den einzelnen Revierwachen, in denen die Vorgänge bearbeitet und die Berichte zusammengestellt wurden.
    Es war jetzt zwanzig Minuten vor fünf, und er sollte eigentlich abgelöst werden. Er hätte nach Hause fahren, es sich in seiner Junggesellenwohnung in Ballmora gemütlich machen, duschen und eine kalte Pommac trinken können. - Gunvald Larsson war fast absoluter Antialkoholiker. Bei ausgestöpseltem Telefon hätte er den Abend in aller Ruhe mit einem eskapistischen Buch verbringen können.
    Aber jetzt hatte er eine Sache übernommen, die ihn im Grunde nichts anging. Diese Geschichte mit Broberg, ein Vorhaben, das er bald bereute, bald mit einem gewissen animalischen Entzücken herbeisehnte. Wenn Broberg ein Verbrecher war - und dessen war er sicher -, so gehörte er genau zu dem Typus von Kriminellen, den hinter Schloß und Riegel zu bringen Gunvald Larsson ein reines Vergnügen bereitete. Ein Ausbeuter. Ein Profithai. Leider kam man zu selten an diese Burschen heran, obwohl jedermann wußte, daß es sie gab und daß sie herrlich und in Freuden lebten, formell innerhalb der durch eine steifbeinige Gesetzgebung gezogenen Grenzen.
    Gunvald Larsson hatte sich entschlossen, diese Sache nicht allein durchzuführen. Einmal, weil er schon allzuoft im Lauf seiner Dienstzeit auf eigene Faust operiert und dafür allzuoft einen Rüffel eingesteckt hatte. In Wahrheit so oft, daß sich seine Beförderungsaussichten in der gegenwärtigen Situation als minimal ausnahmen. Zum anderen, weil er kein Risiko eingehen und dafür sorgen wollte, daß alles hübsch gesetzmäßig ablief.
    Endlich einmal würde er streng nach den Vorschriften handeln, und genau darum hätte er natürlich darauf gefaßt sein sollen, daß die Dinge sich nicht so entwickeln würden, wie er es sich vorstellte. Wo sollte er aber seinen eventuellen Helfer hernehmen?
    In seiner eigenen Abteilung war kein Mensch frei, und Kollberg hatte gesagt, daß es draußen in Västberga nicht anders aussah. In seiner Not rief Gunvald Larsson in der vierten Revierwache an, und es gelang ihm, nach vielem Hin und Her eine positive Antwort zu bekommen.
    »Wenn es wirklich so unerhört wichtig ist, kann ich vielleicht einen Mann abstellen«, sagte der Kommissar. »Großartig.«
    »Glaubst du etwa, daß es leicht ist, auch euch noch mit Personal zu versorgen? Wo es

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