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Und die Großen lässt man laufen

Und die Großen lässt man laufen

Titel: Und die Großen lässt man laufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Per Wahlöö Maj Sjöwall
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flüchtig ansah. Jetzt im nachhinein habe ich versucht, meine Eindrücke etwas zu koordinieren, aber ich bin mir nicht sicher. Einiges von dem, was ich gesehen zu haben glaube, kann nicht direkt reine Einbildung sein, aber…« Sie verstummte und suchte nach Worten.
    »Rekonstruktion«, schlug Kollberg vor.
    »Ja, genau das. Eine Rekonstruktion. Man sieht etwas oder jemanden ganz flüchtig, und später, wenn man sich an Einzelheiten zu erinnern versucht, irrt man sich oft.«
    »Haben Sie die Tatwaffe gesehen?«
    »Aus dem Augenwinkel, sozusagen. Es war eine Art Pistole, ziemlich lang.«
    »Verstehen Sie etwas von Waffen?« Sie schüttelte den Kopf. »Nein, gar nichts.« Kollberg versuchte es mit einer neuen Linie. »Kannten Sie Direktor Palmgren schon länger?«
    »Nein.«
    »Und die anderen Damen und Herren am Tisch? Waren es Bekannte von Ihnen?«
    »Nur Direktor Broberg. Die anderen hatte ich vorher noch nie gesehen.«
    »Aber Broberg kannten Sie schon länger?«
    »Ja. Er hatte meine Dienste schon einige Male in Anspruch genommen.«
    »In welcher Eigenschaft befanden Sie sich in Malmö?«
    Sie sah ihn erstaunt an. »Als Sekretärin natürlich. Direktor Broberg hat in Stockhohn zwar eine fest angestellte Sekretärin, aber die begleitet ihn nicht auf seinen Reisen.« Sie sprach frei und sicher. Alles schien sorgfältig einstudiert zu sein.
    »Haben Sie während dieser Reise stenografiert oder ein Protokoll angefertigt?«
    »Aber natürlich. An diesem Tag hatte vorher eine Konferenz stattgefunden. Da habe ich alles protokolliert, was dort abgehandelt wurde.«
    »Was abgehandelt wurde?«
    »Geschäftliche Dinge der verschiedensten Art. Ehrlich gesagt, habe ich nicht sehr viel von alldem verstanden; ich habe es nur protokolliert.«
    »Haben Sie noch die Stenogramme?«
    »Nein. Als ich wieder zu Hause war, habe ich alles geschrieben und die Protokolle Direktor Broberg übergeben. Die Stenogramme habe ich weggeworfen.«
    »Ach so«, sagte Kollberg. »Wieviel haben Sie für diese Arbeit bekommen?«
    »Ein Honorar von 200 Kronen, plus Reisekosten und Hotel, natürlich.«
    »Aha. Würden Sie das als einen schweren Job bezeichnen?« Sie zuckte wieder die Achseln. »Nein, er war nicht besonders anstrengend.«
    Kollberg wechselte einen Blick mit Äsa Torell, die bislang noch kein Wort gesagt hatte. »Nun, was mich betrifft, so bin ich mit meinen Fragen fertig«, sagte Kollberg. Helena Hansson neigte den Kopf.
    »Nur noch eines. Als die Polizei in Malmö sich mit Ihnen unterhielt, haben Sie eine Adresse in der Västerisgatan hier in Stockhohn angegeben.«
    »Habe ich das getan?«
    »Diese Anschrift war doch falsch, nicht wahr?«
    »Daran habe ich noch gar nicht gedacht. Ich erinnere mich nicht einmal daran. Ich war damals ziemlich durcheinander. Früher habe ich tatsächlich einmal in der Västeräsgatan gewohnt. Ich habe in der allgemeinen Aufregung wohl einfach etwas Falsches gesagt.«
    »Hm«, sagte Kollberg. »Nun ja, das kann jedem einmal passieren.« Er stand auf. »Vielen Dank für Ihre Hilfe. Ich bin jetzt fertig. Auf Wiedersehen.« Er giag zur Tür und verließ die Wohnung. Helena Hansson blickte fragend auf Äsa Torell, die stumm und reglos in ihrem Sessel sitzen geblieben war. »Gibt es noch etwas?« fragte Helena Hansson zögernd.
    Äsa Torell sah sie lange an. Sie saßen sich gegenüber. Beide waren Frauen und etwa gleichaltrig, aber damit hörte schon jede Ähnlichkeit auf.
    Äsa Torell ließ das Schweigen noch lastender werden, dann zerdrückte sie ihre Zigarette im Aschenbecher und sagte langsam: »Wenn du Sekretärin bist, bin ich die Königin von Saba.«
    »Wie können Sie wagen, so etwas zu sagen«, sagte Helena Hansson empört.
    »Mein Kollege, der eben gegangen ist arbeitet bei der Reichsmordkommission.«
    Helena Hansson sah sie verwirrt an.
    »Ich aber nicht«, sagte Äsa Torell. »Ich arbeite hier in Stockholm beim Sittlichkeitsdezernat.«
    »Oh«, sagte die andere. Ihre Schultern sanken schlaff herab.
    »Ich nehme an, du weißt, was das bedeutet.« Die Frau nickte resigniert.
    »Wir haben ein ganzes Dossier über dich«, fuhr Äsa Torell mit erbarmungsloser Eintönigkeit fort. »Es reicht zehn Jahre zurück. Du bist schon fünfzehnmal hoppgenommen worden. Das ist eine ganze Menge.«
    »Dafür kannst du mich aber jetzt nicht drankriegen, du verdammte Schlampe«, sagte Helena Hansson trotzig.
    »Sehr unachtsam von dir, keine Schreibmaschine im Haus zu haben. Oder gar einen Stenogrammblock. Sofern er nicht

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