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Und die Großen lässt man laufen

Und die Großen lässt man laufen

Titel: Und die Großen lässt man laufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Per Wahlöö Maj Sjöwall
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Sessel zusammengekauert und starrte mit flackernden Blicken ins Leere.
    Einmal murmelte sie: »Du, hör mal, du kannst mir doch 'ne Chance geben, ja?« Und kurz darauf: »Wie kann eine Frau Polyp werden…« Äsa Toreli hätte mit einer Gegenfrage kommen können, verkniff es sich aber. Zehn Minuten später wurde die festgefahrene Situation dadurch beendet, daß jemand schwer an die Wohnungstür hämmerte.
    Äsa Torell öffnete, und Kollberg betrat mit einem Zettel in der Hand das Zimmer. Er war rot und verschwitzt, und es war ihm anzumerken, daß er sich beeilt hatte. Er blieb mitten im Zimmer stehen, sog die sinistre Atmosphäre in sich hinein, warf einen Blick auf die umgekippte Blumenvase und sagte: »Haben die Damen sich geschlagen?«
    Helena Hansson sah zu ihm hoch, ohne Hoffnung und ohne Erstaunen. Ihre professionelle Politur war wie weggeblasen. »Was, zum Teufel, wollt ihr denn jetzt?« sagte sie.
    Kollberg hielt ihr den Zettel unter die Nase. »Dies ist eine richterliche Verfügung, die mich dazu berechtigt, in dieser Wohnung eine Haussuchung vorzunehmen. Komplett mit Stempel und Unterschrift. Ich habe die Genehmigung selbst beantragt, und der zuständige Staatsanwalt hat sie befürwortet.«
    »Leckt mich doch am Arsch«, fauchte Helena Hansson. »Aber nicht doch«, sagte Kollberg liebenswürdig. »Wir wollen uns nur ein bißchen umsehen.«
    Äsa Torell nickte zur Garderobentür. »Dort, glaube ich«, sagte sie. Sie selbst nahm die Handtasche Helena Hanssons vom Frisiertisch und öffnete sie. Die Frau im Sessel reagierte überhaupt nicht. Kollberg machte die Garderobentür auf und holte eine Reisetasche heraus. »Gar nicht mal groß, aber erstaunlich schwer«, murmelte er. Er stellte sie aufs Bett und löste die Riemen. »Hast du was Interessantes gefunden?« sagte er zu Äsa Torell.
    »Ein Rückflugticket nach Zürich für die 21-Uhr-45-Maschine von Arlanda. Rückflug morgen früh 7 Uhr 40. Dazu die Bestätigung für ein gebuchtes Hotelzimmer für eine Nacht.«
    Kollberg schob die erste Schicht aus Kleidern und anderem Kram beiseite und begann, in den Papieren zu wühlen, die auf dem Boden der Reisetasche lagen. »Aktien«, sagte er. »Und zwar eine beachtliche Menge davon.«
    »Es sind nicht meine«, sagte Helena Hansson tonlos.
    »Das glaube ich gern«, sagte Kollberg. Er ging ein Stück weiter und öffnete die schwarze Dokumentenmappe. Sie enthielt genau das, was seine Frau vermutet hatte. Nachthemd, ein paar Höschen, Kosmetika, Zahnbürste und Pillendose. Es war wirklich zum Lachen.
    Er sah auf die Uhr. Es war schon halb sechs, und er hoffte, daß Gunvald Larsson seine Zusage eingehalten hatte und schon auf seinem Posten war. »Dies genügt vorläufig«, sagte er. »Sie müssen jetzt mitkommen.«
    »Warum?« fragte Helena Hansson.
    »Ich kann Sie aufgrund dessen, was ich hier gesehen habe, der Vorbereitung eines schweren Devisenvergehens verdächtigen«, sagte Kollberg. »Sie müssen damit rechnen, verhaftet zu werden, aber das ist nicht meine Sache.« Kollberg sah sich um, zuckte die Achseln und sagte: »Äsa, sei so nett und sieh zu, daß sie alles mitbekommt, was sie in dieser Lage braucht.«
    Äsa Torell nickte.
    »Scheißbullen«, sagte Helena Hansson.

16
    Alles mußte an diesem Montag passieren.
    Gunvald Larsson stand am Fenster seines Dienstzimmers und sah auf seine Stadt hinaus. So wie jetzt, bei oberflächlicher Betrachtung, sah sie gar nicht übel aus, aber er war sich des Infernos von Verbrechen, das um ihn herum tobte, nur zu bewußt. Er kam zwar nur mit den Gewaltverbrechen in Berührung, aber schon das war mehr als genug. Außerdem war die Aufklärung von Gewaltverbrechen weit unangenehmer als die Bekämpfung anderer Formen der Kriminalität. Sechs neue Raubüberfälle, einer brutaler als der andere, und bislang keine Spuren; vier Mißhandlungen von Ehefrauen, alle recht schwer; und dann ein Fall, in dem es umgekehrt zugegangen war: eine Ehefrau hatte ihrem Mann ein Bügeleisen über den Kopf geschlagen. Er war selbst gezwungen gewesen, hinzufahren, zu einer Wohnung in der Bastugatan in Söder. Die schäbige Wohnung hatte wie ein Schlachthaus ausgesehen. Alles war blutverschmiert gewesen, und er hatte sogar Blut auf seine neue Hose bekommen.
    In Gamla Stan hatte eine ledige Mutter ihr einjähriges Kind aus dem Fenster ihrer Wohnung im zweiten Stock auf die Straße geworfen. Das Kind war ernstlich verletzt, obwohl die Ärzte sagten, es werde durchkommen. Die Mutter war siebzehn Jahre alt

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