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Und die Großen lässt man laufen

Und die Großen lässt man laufen

Titel: Und die Großen lässt man laufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Per Wahlöö Maj Sjöwall
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wiederholte die bedeutungsschwere Frage: »Hier hockst du also?«
    Dann sah er das Glas an und sagte, als ob er es nicht glauben könne: »Und trinkst?«
    Darauf gab Mänsson keine Antwort.
    Backlund wandte seine Aufmerksamkeit jetzt der Wanduhr in der Bar zu, verglich die Zeit mit seiner Armbanduhr und stellte fest:
    »Diese. Uhr geht auch falsch.«
    »Stimmt«, sagte der Barmann. »Sie geht vor. Eine kleine Aufmerksamkeit für eilige Gäste, die Züge und Schiffe erreichen müssen.«
    »Ei, ei, ei«, sagte Backlund. »Wir werden mit dieser Geschichte nie zu Rande kommen. Wie soll man den genauen Zeitpunkt einer Tat feststellen, man sich nicht einmal auf die Uhr verlassen kann?«
    »Das wird schwierig, das gebe ich zu«, sagte Mänsson geistesabwesend Skacke kam zurück. »So, das wäre erledigt«, sagte er.
    »Wahrscheinlich zu spät«, sagte Mänsson.
    »Wovon in aller Welt redet ihr eigentlich«, sagte Backlund und griff nach seinem Notizbuch. »Was diesen Kellner betrifft…«
    Mänsson machte eine abwehrende Handbewegung. »Warte. Darum kümmern wir uns später. Benny, geh bitte mal raus und ruf die Polizei in Lund an. Bitte sie, einen Mann in die Neurochirurgie zu schicken. Mit einem Tonbandgerät, damit er aufnehmen kann, was Palmgren sagt. Falls er aufwacht und überhaupt was sagt. Und dann soll sich der Beamte mal mit Frau Palmgren unterhalten.« Skacke entfernte sich wieder.
    »Was diesen einen Kellner angeht… also der hätte nicht mal mitgekriegt, wenn Dracula höchstpersönlich in den Speisesaal geflattert wäre«, sagte der Barmann.
    Backlund wahrte irritiertes Schweigen. Mänsson wartete mit einer Äußerung, bis Skacke wieder da war. Weil Backlund offiziell immerhin ein Vorgesetzter Skackes war, gebrauchte er vorsichtshalber den Plural bei der Anrede. »Wen haltet ihr für den zuverlässigsten Zeugen?«
    »Einen Burschen namens Edvardsson«, erwiderte Skacke. »Er saß nur drei Tische weiter entfernt. Nur…«
    »Nur was?«
    »Er ist nicht nüchtern.«
    »Der Alkohol ist ein Fluch«, stellte Backlund fest.
    »Na schön, dann warten wir mit ihm bis morgen«, sagte Mänsson.
    »Wer von euch kann mich zum Polizeihaus fahren?«
    »Ich«, erbot sich Skacke.
    »Ich bleibe hier«, sagte Backlund hartnäckig. »Offiziell ist dies mein Fall.«
    »Aber gewiß doch«, sagte Mänsson. »Tschüs.« Im Auto murmelte er: »Züge und Schiffe…«
    »Glaubst du, daß er abgehauen ist?« fragte Skacke zweifelnd.
    »Möglich war's«, sagte Mänsson. »Wie dem auch sei: Wir müssen eine Menge Leute anrufen. Und wenn wir sie aus dem Bett holen.« Skacke sah Mänsson von der Seite an, der sich gerade einen neuen Zahnstocher in den Mund steckte. Der Wagen kurvte auf den Hof des Polizeihauses. »Flugzeug«, sagte Mänsson wie zu sich selbst.
    »Dies kann eine ekelhafte Nacht werden.«
    Um diese Zeit machte das Polizeihaus einen düsteren und sehr leeren Eindruck. Es war ein imposantes Bauwerk. Die Schritte der beiden Männer hallten auf den Stufen der breiten Steintreppen wider.
    Mänsson war von Natur aus ebenso schwerfällig wie hochgewachsen. Er verabscheute es, sich Nächte um die Ohren hauen zu müssen, und außerdem hatte er seine Karriere schon weitgehend hinter sich.
    Bei Skacke war es genau umgekehrt: er war zwanzig Jahre jünger, dachte sein Fortkommen und war eifrig und ehrgeizig. Seine bisherigen Erfahrungen als Polizeibeamter hatten aber auch ihn vorsichtig gemacht und ließen ihn auf die Einhaltung aller nur erdenklichen Vorschriften achten.
    Eigentlich ergänzten sich die beiden also ganz gut.
    Nachdem sie Mänssons Zimmer betreten hatten, öffnete dieser sofort die Fenster zum asphaltierten Hof des Polizeihauses. Dann sank er in seinen Schreibtischsessel und blieb einige Minuten schweigend sitzen, während er nachdenklich die Walze seiner alten Underwood herumdrehte. Schließlich sagte er: »Sieh zu, daß wir alle Funkmeldungen und eventuell auch Telefongespräche bekommen. Nimm die Gespräche auf deinem Apparat entgegen.« Skacke hatte sein Zimmer direkt gegenüber auf der anderen Seite des Flurs.
    »Du kannst die Türen offenlassen«, sagte Mänsson. Nach einigen Sekunden setzte er mit leichter Ironie hinzu: »Dann haben wir so etwas wie eine Fahndungszentrale.«
    Skacke ging hinüber in sein Zimmer und fing an zu telefonieren. Nach kurzer Zeit folgte ihm Mänsson. Er blieb in der Türöffnung stehen, lehnte sich gegen die Füllung und kaute an dem Zahnstocher herum, der ihm im Mundwinkel baumelte. »Hast

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