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Und die Großen lässt man laufen

Und die Großen lässt man laufen

Titel: Und die Großen lässt man laufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Per Wahlöö Maj Sjöwall
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der mit dem Revolver in der Hand eintrat. Wenn er auch diesmal auf den Hinterkopf zielte, würde Martin Beck kopfüber aus dem Fenster fallen, und wenn er Pech hatte, würde er schon vor dem Aufschlagen auf dem Bürgersteig tot sein.
    Er lächelte und drehte sich um.
    Vor ihm stand Paulsson mit seinem Pepitaanzug und seinen knallgelben Schuhen. Er sah unglücklich aus. Nicht einmal der Schnurrbart wirkte so schnittig wie sonst. »Hej«, sagte er.
    »Hej.«
    »Darf ich reinkommen?«
    »Aber ja«, sagte Martin Beck. »Setz dich nur.« Er selbst setzte sich auf die Bettkante.
    Paulsson schraubte sich in einen Sessel. Stirn und Wangen glänzten vor Schweiß.
    »Zieh doch die Jacke aus«, sagte Martin Beck. »Hier ist es nicht so notwendig, auf Etikette zu achten.«
    Paulsson zögerte, aber schließlich begann er doch, die Knöpfe seines doppelt geknöpften Jacketts zu öffnen. Er faltete es sorgfältig zusammen und legte es über die Armlehne. Unter der Jacke trug er ein breitgestreiftes Hemd in Hellgrün und Orange. Plus Pistole im Schulterhalfter.
    Martin Beck fragte sich, wie lange es wohl dauern mochte, bis er im Ernstfall die Waffe erreichte - bei der Knöpfprozedur.
    »Was hast du auf dem Herzen?« fragte er gelassen.
    »Jaa… ich möchte dich etwas fragen.«
    »Gern. Was denn?«
    »Du brauchst natürlich nicht zu antworten.«
    »Sei nicht albern. Was willst du?«
    »Ja…« Und dann kam es endlich, sichtlich mit großer Selbstüberwindung: »Hast du schon etwas erreicht?«
    »Nein«, sagte Martin Beck. Aus reiner Höflichkeit stellte er eine Gegenfrage: »Du denn?«
    Paulsson schüttelte traurig den Kopf. Strich sich liebevoll über den Schnurrbart, als wollte er neue Kräfte sammeln. »Der Fall scheint ziemlich verwickelt zu sein«, meinte er.
    »Vielleicht ist er auch sehr einfach«, sagte Martin Beck.
    »Einfach?« sagte Paulsson. Fragend und ungläubig. Martin Beck zuckte die Achseln.
    »Nein«, sagte Paulsson, »das glaube ich nicht. Und am schlimmsten ist…« Er hielt inne. Sagte mit einem hoffnungsfrohen Leuchten im Blick: »Haben sie dich auch angeschnauzt?«
    »Wer?«
    »Nun ja. Die Chefs. In Stockholm.«
    »Sie scheinen etwas nervös zu sein«, sagte Martin Beck. »Was ist nun am schlimmsten, wie du eben sagtest?«
    »Dies wird sich zu einer großen internationalen Geschichte entwickeln. Politisch kompliziert. Verzweigt nach allen Seiten. Gestern abend sind zwei ausländische Sicherheitsbeamte hergekommen. Ins Hotel.«
    »Diese beiden Figuren, die vorhin in der Halle saßen?« Paulsson nickte.
    »Woher kommen sie?«
    »Der Kleine ist aus Lissabon und der andere aus Afrika. Loranga Marcuse, oder wie das heißt.«
    »Lourenco Marques«, sagte Martin Beck. »Das liegt in Mocambique. Sind sie im dienstlichen Auftrag hier?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Sind es überhaupt Polizeibeamte?«
    »Sicherheitsbeamte, glaube ich. Sie nennen sich Geschäftsleute. Aber…«
    »Ja?«
    »Aber sie haben mich sofort identifiziert. Sie wußten, wer ich bin. Bemerkenswert.«
    Außerordentlich bemerkenswert, dachte Martin Beck. Laut sagte er:
    »Hast du mit ihnen gesprochen?«
    »Ja. Sie sprechen ein sehr gutes Englisch.«
    Martin Beck wußte zufällig, daß Paulssons Englisch hochgradig fehlerhaft war. Vielleicht war er in Chinesisch oder Ukrainisch oder in einer anderen Sprache besser, die für die Sicherheit des Reiches wichtig war.
    »Was wollten sie denn?«
    »Sie fragten nach Sachen, die ich nicht ganz begriffen habe. Darum habe ich dich hier auch gestört. Zuerst wollten sie eine Liste der Verdächtigen sehen.«
    »Ja?«
    »Also, wenn ich die Wahrheit sagen soll: Ich habe keine solche Liste. Du vielleicht?«
    Martin Beck schüttelte den Kopf.
    »Ich habe natürlich nichts gesagt«, sagte Paulsson listig. »Aber dann fragten sie mich etwas, was ich überhaupt nicht kapiert habe.«
    »Was denn?«
    »Nun ja, so, wie ich es auffaßte, aber das muß ja falsch sein, wollten sie wissen, welche Personen aus den überseeischen Provinzen verdächtig seien. Überseeische Provinzen… Aber sie sagten es mehrmals und in verschiedenen Sprachen.«
    »Du hast ganz richtig verstanden«, sagte Martin Beck freundlich.
    »Die Portugiesen behaupten, daß ihre Kolonien in Afrika und anderswo den Provinzen im Mutterland gleichgestellt seien. Sie meinten also Leute, vor allem politische Flüchtlinge, aus Angola, Mocambique, Cabo Verde, Guinea so weiter.«
    Paulssons Gesicht leuchtete auf. »Sieh mal an«, sagte er. »Dann habe ich ich also doch

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