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Und die Großen lässt man laufen

Und die Großen lässt man laufen

Titel: Und die Großen lässt man laufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Per Wahlöö Maj Sjöwall
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nickte.
    »Hast du eine Vorstellung, wie es gewesen sein könnte?« fragte er.
    »Woher sollte ich? Aber dieser Palmgren war ein Schwein. Es hatten sicher viele einen Grund, ihn zu hassen. Was ich meine, ist, daß der Fall gar nicht so verwickelt zu sein braucht, wie manche glauben. Es kann schlicht und einfach ein Racheakt gewesen sein.«
    »Daran habe ich auch schon gedacht.«
    Sie sagte nichts mehr.
    Als sie die Zigarette aufgeraucht hatte, nahm sie sich sofort eine neue und zündete sie an. Sie rauchte dänische Zigaretten, Cecil, in einer grün-weiß-roten Schachtel.
    Martin Beck wandte den Kopf und sah ihre Füße an, die schmal waren grazil gewölbt, mit langen, geraden Zehen.
    Dann blickte er hoch und betrachtete ihr Gesicht. Sie sah geistesabwesend aus und schien irgendeinen Punkt in der Ferne zu fixieren.
    Er betrachtete sie weiter. Kurz darauf entspannte sie sich, hob den Kopf ein wenig und sah ihm voll in die Augen. Ihre waren groß und braun und ernst.
    Eben war sie noch sehr weit weg gewesen. Jetzt war sie in hohem Maße nahe. Sehr nah.
    Sie fuhren fort, sich anzusehen.
    Sie drückte ihre Zigarette aus, und diesmal zündete sie sich keine neue an.
    Sie befeuchtete die Lippen und biß sich auf die Zungenspitze. Ihre Zähne waren weiß und etwas ungleichmäßig. Die Augenbrauen dicht und dunkel. »Ja«, sagte er.
    Sie nickte sanft. Sagte sehr leise: »Ja. Früher oder später. Warum nicht jetzt.« Sie stand auf und setzte sich auf die Bettkante. Eine Zeitlang bewegte sie sich nicht. Sie sahen sich noch immer in die Augen.
    Martin Beck machte den linken Arm frei und ließ die Hand sacht ihre schmalen Finger berühren. Zupfte leicht am Gürtel des Bademantels. »Wir müssen uns nicht beeilen«, sagte er. Sie sah ihm tief in die Augen und sagte: »Deine sind grau.
    Tatsächlich.«
    »Und deine braun.«
    Äsa Torell lächelte, ohne die Lippen zu öffnen. Sie hob die rechte Hand, löste langsam den Knoten, erhob sich ein wenig und ließ den Bademantel zu Boden gleiten.
    Er zog das Laken weg, und sie setzte sich wieder, das linke Bein so hochgezogen, daß der Fuß an der linken Seite seines Brustkorbs ruhte.
    »Hast du schon früher daran gedacht?« fragte sie.
    »Ja. Und du?«
    »Manchmal. Dann und wann im letzten Jahr.« Sie wechselten noch einige Repliken.
    »Ist es lange her?«
    »Absurd lange her… Nicht mehr, seit…« Sie verstummte plötzlich und sagte dann: »Und bei dir?«
    »Bei mir ist es genauso.«
    »Du bist ein lieber Kerl«, sagte sie.
    »Du auch.«
    Das stimmte. Äsa Torell war ein feines Mädchen, und er hatte es schon lange gewußt.
    Sie war klein, aber stabil gebaut. Ihre Brüste waren klein, die Brustwarzen aber groß und steif und dunkelbraun. Die Haut über dem Brustkorb und dem Bauch schien geschmeidig und elastisch zu sein. Das sehr volle Haar über den Schenkeln war kraus und fast kohlschwarz.
    Ihre Hand lag ausgebreitet auf seinem linken Bein und glitt langsam nach oben. Ihre Finger waren dünn, aber lang und stark und zielbewußt.
    Sie war sehr offen.
    Nach einer Weile wandten sich seine Hände ihren Schultern zu, und sie änderte ihre Stellung und legte sich rittlings auf ihn, weich und tief und weit offen und bald erfüllt. Sie atmete mit kurzen, schnellen Zügen an seiner Schulter und kurz darauf an seinem Mund.
    Als sie auf dem Rücken lag, war sie sehr sicher und erdgebunden, und ihre Beine fühlten sich auf seinem Rücken und um seine Hüften sehr stark an.
    Als sie ging, war es schon seit mehreren Stunden hell.
    Sie zog ihren Morgenmantel und die Schuhe an und sagte: »Hej, und danke.«
    »Gleichfalls.«
    Es war also geschehen und würde wohl nie wieder geschehen. Oder vielleicht doch. Er wußte es nicht. Dagegen wußte er, daß er alt genug war, ihr Vater zu sein, wenn dieser Platz nicht schon seit genau siebenundzwanzig Jahren besetzt gewesen wäre.
    Martin Beck dachte, daß der Mittwoch trotz allem doch kein schlechtes Ende gefunden hatte. Oder war es vielleicht der Donnerstag, der gut begonnen hatte?
    Dann schlief er ein.
    Sie sahen sich nach einigen Stunden wieder. Im Polizeihaus. Und Martin Beck sagte im Vorübergehen: »Sag mal, wer hat eigentlich dein Zimmer im Savoy bestellt?«
    »Ich selbst. Lennart hatte vorgeschlagen, ich solle mich hier einquartieren.«
    Martin Beck lächelte vor sich hin.
    Kollberg, natürlich. Der alte Intrigant. Aber diesmal würde er nie erfahren, auf gar keinen Fall, ob er Erfolg gehabt hatte oder nicht.

25
    Am Donnerstagmorgen um neun Uhr

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