Und die Großen lässt man laufen
sagt sie?«
»Eine ganze Menge. Aber kaum etwas, woran du Freude hättest.«
»In welchem Hotel wirst du wohnen?«
»Im selben wie du. Savoy.«
»Dann können wir heute ja zusammen essen?« In dem Fall würde dieser unerfreuliche Tag jedenfalls einen angenehmen Abschluß finden.
»Das wird nicht ganz einfach sein«, sagte Äsa Torell ausweichend.
»Ich werde heute noch eine ganze Menge zu tun haben.« Sie vermied es, ihm in die Augen zu sehen. Was übrigens leicht zu bewerkstelligen war, denn sie reichte ihm nicht einmal bis zur Schulter.
Helena Hansson redete und redete. Sie sang wie eine Nachtigall.
Mänsson saß mucksmäuschenstill am Tisch. Das Tonbandgerät surrte. Backlund ging im Zimmer auf und ab und zeigte ein schockiertes Gesicht. Seine Vorstellungen von Moral hatten sicher den einen oder anderen vernichtenden Schlag erhalten.
Martin Beck blieb eine Weile in der Nähe der Tür stehen, auf einen Blechschrank gestützt, und beobachtete die Frau, während sie Wort für Wort das wiederholte, was sie früher schon zu Kollberg gesagt hatte.
Jetzt war aber von der halb respektablen Fassade und der mühsam erkämpften Tünche nichts mehr übrig.
Sie sah im Gegenteil schlaff und verbraucht aus. Eine Nutte ganz einfach, die in etwas hineingeraten war, was sie nicht begriff und vor dem sie eine furchtbare Angst hatte. Die Tränen kullerten ihr die Wangen herab, und sie ging schnell dazu über, alle und alles in ihrer Branche zu verraten - in der offenkundigen Hoffnung, selbst so billig wie möglich davonzukommen.
Es war eine beklemmende Vorstellung, und Martin Beck verließ das Zimmer genauso leise und bescheiden, wie er es betreten hatte. Er kehrte in sein Zimmer zurück, das jetzt leer und noch wärmer war als vorhin. Er stellte fest, daß der Stuhl, auf dem Hampus Broberg gesessen hatte, schweißnaß war, sowohl auf der Sitzfläche wie auf der Rückenlehne.
Das Telefon klingelte. Malm, natürlich. Wer hätte es sonst sein sollen? »Was, zum Teu… Womit um Gottes willen beschäftigen Sie sich eigentlich da unten?«
»Mit den Ermittlungen.«
»Einen Augenblick mal«, sagte Mahn aufgeregt. »Hatten wir uns nicht darüber verständigt, daß diese Fahndung so diskret und wirkungsvoll wie möglich durchgeführt werden sollte?«
»Doch.«
»Findest du es sehr diskret, wenn es mitten in Stockholm zu einem wilden Schußwechsel und zu Prügeleien kommt?«
»Nein.«
»Hast du die Zeitungen gesehen?«
»Ja, habe ich.«
»Wie werden sie deiner Meinung nach morgen aussehen?«
»Weiß nicht.«
»Ist es nicht ein starkes Stück, daß die Polizei Haftbefehl gegen zwei Personen erwirkt, die wahrscheinlich völlig unschuldig sind?«
Hier landete der Intendent einen Punktsieg, das war völlig klar, und Martin Beck zögerte infolgedessen mit der Antwort.
»Ja«, sagte er schließlich. »Das sieht vielleicht ein bißchen eigenartig aus.«
»Eigenartig? Ist euch da unten eigentlich klar, daß ich für dies alles den Kopf hinhalten muß?«
»Ja, und es tut mir sehr leid.«
»Ich darf dir ausrichten, daß der Reichspolizeichef genauso empört ist wie ich. Wir haben gerade stundenlang bei ihm konferiert…«
Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus, dachte Martin Beck.
»Wie bist du zu ihm reingekommen?« fragte er unschuldig.
»Wie ich reingekommen bin?« sagte Malm. »Was meinst du? Soll das ein schlechter Witz sein?«
Es war eine allgemein bekannte Tatsache, daß der Reichspolizeichef ungern mit Menschen sprach. Einem Gerücht zufolge hatte ein hoher Beamter einmal sogar damit gedroht, einen Gabelstapler ins Gebäude der Reichspolizeiführung zu transportieren und die Türen zum Allerheiligsten mit Gewalt aufzubrechen, um endlich ein Gespräch unter vier Augen zustande zu bringen. Der betreffende Großkopfete hatte aber andererseits eine große Schwäche für Reden, sowohl für Ansprachen an das Volk in seiner Gesamtheit wie an wehrlose Gruppen seiner Privatarmee.
»Nun?« sagte Malm. »Kann man wenigstens sagen, daß eine Festnahme unmittelbar bevorsteht?«
»Nein.«
»Weißt du, wer der Mörder ist? Fehlt dir vielleicht nur noch der Beweis?«
»Nein, ich tappe noch im dunkeln.«
»Weißt du, in welchen Kreisen er zu suchen ist?«
»Ich habe keinen blassen Schimmer.«
»Das ist doch vollkommen absurd.«
»Findest du?«
»Was in aller Welt soll ich denn deiner Meinung nach den Betroffenen sagen?«
»Die Wahrheit.«
»Welche Wahrheit?«
»Daß es keine Fortschritte gibt.«
»Keine
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