und die neue Klasse
etwas Mitleid mit ihr gehabt.
»Sag mal, hast du keine Angst vor den Gespenstern?«, mischte sich ein kleines Mädchen mit langen Zöpfen aus der ersten Klasse aufgeregt ein.
»Welche Gespenster denn?«, fragte Nele.
»Na, die Burggeister!«, riefen ein paar Jüngere im Chor.
Nele lachte. »So ein Quatsch. Geister gibt es nicht.«
Das Zopfmädchen guckte altklug. »Aber der Herr Direktor Zucker schreibt doch ein Buch über die Gespenster in deiner Burg.«
Im selben Moment tippte ein knochiger Finger Nele auf die Schulter.
Nele schrie vor Schreck laut auf.
»Oh, habe ich unser Burgfräulein erschreckt? Verzeihung. Das lag nicht in meiner Absicht.« Herr Direktor Zucker lächelte seine neue Schülerin verlegen an.
»Guten Tag, Herr Direktor«, stotterte Nele verblüfft.
»Ich habe schon vernommen, dass du in unserer herrlichen Burg haust… äh… wohnst…«, räusperte sich der Direktor. »Das ist ja ganz wunderbar. Dann können wir ja… ganz ohne Umwege… direkten Kontakt aufnehmen.«
Nele sah Herrn Direktor Zucker entsetzt an. »Kontakt aufnehmen?«, stammelte sie. »Mit wem? Mit einem Geist?«
Direktor Zucker lachte scheppernd. Sein Lachen hörte sich ein wenig an wie Plemplems Husten, wenn dieser sich an einer Walnuss verschluckt hatte.
»Wir beide können direkt Kontakt aufnehmen!«, wiederholte Herr Direktor Zucker geduldig. »Ich würde nämlich furchtbar gerne einmal die ganze Burg besichtigen. Auf so eine Gelegenheit warte ich schon lange.«
Nele atmete erleichtert auf. »Aber natürlich. Meine Eltern werden sich riesig freuen«, antwortete sie. »Ich sage meinem Papa gleich, dass er Sie anrufen soll.« Der Direktor nickte zufrieden. »So ist es recht, mein Kind. Je schneller, desto besser. Besonders gespannt bin ich auf den Keller. Dort soll noch eine besonders seltene Fledermausgattung wohnen.« Er entdeckte Frau Kussmund auf der Bank unter der Rotbuche. Sie trank gerade ihre Pausenmilch und biss in ihr Käsebrot. Eilig machte sich der Direktor auf den Weg zu ihr.
Nele guckte ihm verdattert hinterher. Irgendwie sprach der Direktor komisch. Wie die Leute in alten Filmen oder wie Sir Edward. Vielleicht war der Direktor ja auch Schotte. Aber sein Name hörte sich gar nicht englisch an.
»Fledermäuse? Iiiiiiiiih!«, quietschten die Erstklässler.
»Fledermäuse?«, wiederholte Lukas vergnügt. Er hatte ein Stück entfernt dabeigestanden und zugehört. »Das darfst du auf keinen Fall Tannes Hund Otto verraten. Mit Fledermäusen spielt er noch lieber als mit Kaninchen!«
Er suchte lachend das Weite, weil Tanne versuchte, ihm eine Kopfnuss zu verpassen. »Dieser Junge wird immer frecher«, stänkerte sie.
»Och«, antwortete Nele. »Eigentlich finde ich ihn ganz okay. Jedenfalls ist er netter als mein Bruder. Der stänkert immer nur mit mir herum.«
Als Nele nach der letzten Stunde nach Hause ging, war sie total vergnügt. Die Fichte-Schule gefiel ihr tausendmal besser als ihre alte. Und das Allerbeste: Tanne war jetzt wirklich ihre Freundin.
Zum Mittagessen gab es verbrannte Pfannkuchen mit jeder Menge Puderzucker und halben Pfirsichen aus dem Glas. Die Pfirsiche waren ein Geschenk von Tannes Mama, die in ihrem Hofladen selbst gemachte Marmelade und Obst verkaufte.
Neles zerstreute Mama hatte wieder einmal eine Sekunde zu spät in die Pfanne geguckt, weil gerade ein Schmetterling am Küchenfenster vorbeiflog, den sie unbedingt fotografieren musste. Aber das machte Nele gar nichts aus.
Sie kochte sich ganz alleine eine Kanne Kakao, packte ein paar Kekse ein und wanderte mit der dicken Bertha auf die Löwenzahnwiese. Dort setzte sie sich zwischen die spielenden Kaninchen und erzählte der dicken Bertha haargenau, was sie an ihrem ersten Schultag alles erlebt hatte.
Das dauerte ganz schön lange. Und so wanderte die Sonne bereits hinter die Zinnen, und der Papagei in seinem Turmzimmer sang sich krächzend mit Bruder Jakob in den Schlaf, als Nele endlich zurück in die Burg stiefelte.
Papa rührte gerade Griesbrei an, ganz ohne Klümpchen. Nele schlug sich den Bauch voll, bis sie nicht mehr Papp sagen konnte, und streckte sich zufrieden und satt auf ihrer quietschenden Luftmatratze aus. Obwohl Herr Winter von morgens bis abends in seiner Werkstatt gezimmert hatte, war das schöne Bett, das er für Nele baute, nicht ganz fertig geworden. Aber das fand sie nicht besonders schlimm. Froh kuschelte sie sich mit der dicken Bertha in ihren Schlafsack ein, schloss die Augen und versuchte, ganz
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