Und die Ratte lacht - Roman
Mund murmelte »… bis dass der Tod euch scheide«.
Aber ich war unfähig, etwas hinzuzufügen.
28. August 1944
Von Weitem ist Donnern zu hören.
Das Mädchen und ich warten.
Werden sie kommen?
Wann werden sie kommen?
Über ihr Gesicht fliegt so etwas wie Sehnsucht. Vielleicht ist es auch die Angst vor der Zukunft? Vielleicht wird sie nicht halten, was sie verspricht.
Was habe ich getan?
1. September 1944
Dem Anschein nach schläft sie friedlich. Wie schwer habe ich dafür gekämpft, diesen Luxus für sie zu erlangen. Plötzlich krümmt sich der kleine Leib zusammen und der Schmerz bricht heraus.
Ich leide Qualen. Mich und andere zu erinnern ist der einzige Befehl, der noch eine gewisse Kraft hat, während ich alles in meiner Macht Stehende tue, ihre Erinnerung auszulöschen. Für sie bedeutet Vergessen Heilung, aber es ist die Krankheit der Welt.
Wenn ich mit meinen Versuchen, ihre Erinnerung auszulöschen, Erfolg haben werde, kann ich das Mädchen vielleicht auf den Weg zu einem normalen Leben bringen. Aber wenn alles ausgelöscht ist, woher soll dann Erinnerung kommen? Wenn sie vergisst, wer wird sich für sie erinnern?
Wir alle sind dazu verdammt, die Via Dolorosa entlangzugehen, aber jeder Mensch versucht, wenn er an der Reihe ist, aus der Prozession zu fliehen. Die bequemste Haltung ist es, vom Wegrand aus den Menschen zu betrachten, der unter der Last zusammenbricht. Wir alle stoßen einen Seufzer der Erleichterung aus, manche im Herzen, manche offen, wenn wir erkennen, dass unser Nächster das Kreuz zu tragen hat, nicht wir.
14. September 1944
Tag der Erhöhung des heiligen Kreuzes
An diesem Tag, im Jahre dreihundertsechsundzwanzig, wurde das echte Kreuz entdeckt, und in der Stadt der Juden wurde die Grabeskirche errichtet.
Vielleicht bin ich dazu auserwählt, der letzte Zeuge ihrer Existenz zu sein, denn wenn niemand sich an sie erinnert, habe ich die heilige Mission, um jeden Preis nicht nur die körperliche Existenz dieses Mädchens zu bewahren, sondern auch seine geistige.
Die letzte Jüdin.
In diesem Moment, in dem ich das schreibe, überkommt mich Übelkeit, als hätte ich eine Reliquie beschriftet. Wenn all meine Anstrengungen nur dem Ziel dienen, sie als Überbleibsel zu bewahren, bin ich nicht anders als die anderen, die sie auslöschen wollen. Auch sie bewahren vermutlich ein einziges Exemplar als Ausstellungsstück, das in einem kostbaren Schrein hinter Glas aufbewahrt wird. So dokumentieren sie ihren Triumph und sorgen dafür, dass er nicht vergessen wird.
15. September 1944
Gedächtnis der Schmerzen Mariens
Ein Jahr ist sie jetzt bei mir. Das wird dein Geburtstag sein, sagte ich. Der Tag, an dem ein Mensch auf die Welt gekommen ist, ist ein Festtag für alle, die ihn lieben. Ich stellte eine Kerze auf die Erde und forderte sie auf, sie auszublasen. Sie legte ihre kleine Hand direkt in die Flamme, drückte sie aus und fragte, wie alt bin ich?
Meine Großmutter hat mir nie gesagt, wann ich geboren wurde. Ich dachte lange, es sei am Tag des heiligen Stanislaw gewesen. Vielleicht wollte mich die alte Frau nicht traurig machen, oder sie wollte den Schmerz vergessen, den ich ihrer Tochter zugefügt hatte. In den Dörfern sagt man von schwangeren Frauen, sie seien »guter Hoffnung«, aber meine Mutter war eine Frau voller Verzweiflung – eine Sünde, die vererbt wird.
Enttäuscht warf das Mädchen die Kerze um. Es gibt Kinder, die sehr alt sind, und alte Menschen, die Kinder sind, und vielleicht sind sie ja beides. Wäre es mir nicht verwehrt, Kinder zu bekommen, hätte ich sie vielleicht unterscheiden können.
Ich schlage die Heilige Schrift auf. Sie liest den Psalm mit klarer Stimme: »Finsternis möge mich decken und Nacht statt Licht um mich sein …«
König David hat diese Worte geschrieben, Kind. Er konnte gut Harfe spielen. In bösen Nächten sang er Lieder für seinen Vorgänger auf dem Thron, König Saul, um die Verzweiflung von ihm zu nehmen, und am Ende wurde er selbst von ihr befallen.
»Es war dir mein Gebein nicht verborgen, als ich im Verborgenen gemacht wurde, als ich gebildet wurde unten in der Erde.«
Das Mädchen kämpft mit den Worten. Ich sage, du wirst in ein Land fahren, das sowohl fern als auch nah ist. Dort gibt es eine wirkliche Stadt, kein Königreich in den Wolken. Es ist ein Ort von zweifelhafter Schönheit, aber er gehört dir.
Und eines Tages, wenn du die Höhle besuchst, in der die Heilige Mutter in ewigem Schlaf liegt, dann steige die Stufen
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