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Und die Ratte lacht - Roman

Und die Ratte lacht - Roman

Titel: Und die Ratte lacht - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Persona Verlag
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mich.
    Ich habe nicht alle gefunden.
3. Dezember 1944
    Stasch!
    Du bist böse, Stasch!
    Am allerschlimmsten, Stasch!
    Ihre Schreie zerschneiden mich. Ich werde keinen Frieden mehr finden, weder bei Tag noch bei Nacht. Das Tier Erinnerung wird in meinem Körper gefangen bleiben, wird seine Zähne in mich schlagen und mich beißen. Aber ich bin dankbar, denn jede blutende Wunde wird mich daran hindern, das Mädchen zu vergessen.
    Meine Mutter, meine Mutter, warum hast du mich verlassen!
    So schreien alle namenlosen Kinder.
6. Dezember 1944
    Eltern, trauert nicht zu sehr um eure Kinder.
    Wüssten die Dorfbewohner von dem Riss, der sich in meinem Leben aufgetan hat, würden sie versuchen, mich mit diesen abgedroschenen Worten zu trösten. Sie würden mir die Geschichte der Tochter erzählen, die in der anderen Welt dazu verurteilt ist, die Tränen ihrer Mutter zu tragen, Eimer um Eimer. Und von einer anderen Tochter wird erzählt, sie sei auf die Welt zurückgekommen, nur um ihre Mutter anzuflehen, dass sie endlich aufhören solle zu weinen, sonst würde ihr Grab überschwemmt.
    Dem Mädchen zuliebe werde ich still sein.
    Ich werde dafür sorgen, dass das Grab trocken bleibt. Und dieses Versprechen werde ich halten.
25. Dezember 1944
    Weihnachtsnacht
    Ich sitze in der Nische, vor dem Bild der Madonna der Ratte. Um ihren Hals hängt ein Davidstern aus Birkenzweigen, den ich hinzugefügt habe. Ich glaube, ich fühle das Lachen, das in der Dunkelheit Gestalt annimmt. Die Ratte lacht nicht aus Freude oder aus Spott. Die Ratte reißt den Mund auf angesichts des Schreckens, der sein wird und der gewesen ist. Das ist das Lachen der Menschen, die einen Toten begleiten, wenn sie in sein offenes Grab schauen.
    Die Menschen um sie herum rufen sie zum Schweigen – eine Schmach, eine Entweihung. Aber gegen ihren Willen rollen sie über den Boden vor Lachen.
1. Januar 1945
    Ich versiegle das Tagebuch, weil ich der Erinnerung der Menschen nicht traue. Sie ist nicht Teil der Schöpfung, denn der erste Mensch kam ohne Erinnerung auf die Welt. Doch die Erinnerung ist das einzige, was nach deinem Bild geschaffen wurde. Ihr beide, du und die Erinnerung, seid ein verblassendes Ebenbild, das am Ende der Karawane auf Krücken hinterherhinkt.
    Mädchen, ich wünschte, ich könnte dich sehen, bevor ich diese Welt verlasse, denn es gibt keine andere.
    Du bist Fleisch von meinem Fleisch.
    Dich zu umarmen, noch ein einziges Mal, Körper an Körper.
28. Februar 1945
    Thomas von Aquin senkte seine Feder und sagte: »Ich kann nicht mehr, denn alles, was ich geschrieben habe, scheint mir wie Stroh zu sein im Vergleich mit dem, was ich gesehen habe und was mir offenbart wurde.«
    Vielleicht habe ich Angst, dass alles Wertvolle bereits niedergeschrieben ist, und dass es nichts gibt, was ich hinzufügen könnte.
    Ich versiegle das Tagebuch und verstecke es tief in der leeren Nische. Die Bauern haben Fallen aufgestellt und vor allen Fluchtwegen vergiftete Köder ausgelegt, und die Plage ist ausgerottet.
    Vorläufig.
    Aber die Ratten werden zurückkommen, früher oder später. Denn sie folgen uns, wohin wir auch gehen. Unsere geheimen Begleiter sind keine Ungeheuer, denn sie wurden geschaffen, um zu überleben.
    Sie werden auch uns überleben.
    Vielleicht ist die Geschichte eine Art Erzählung, ein Gedicht, eine Sammlung von Legenden, die sich die Menschen abends erzählen. Und diese Märchen und Legenden und Gedichte enthalten die Wahrheit in einem Code, den nur wenige entschlüsseln wollen.
    Auch auf die Erinnerung des Mädchens kann ich mich nicht verlassen, denn ich habe alles getan, um ihre Erinnerung auszulöschen. Ich habe sie bei klarem Bewusstsein zerstört, damit ihr Körper und ihre Seele, die mir anvertraut waren, für den Rest ihres Lebens erhalten bleiben. Aber ich kann mich nicht von der Verantwortung für das, was ich getan habe, freisprechen, deshalb verberge ich die Erinnerung in einer Schachtel außerhalb der Grenzen ihres Körpers, eine Art kleiner Leuchtkörper, der sie umschwebt und sein reflektierendes Licht verströmt, nur dass sie selbst nicht verbrennt. Dieses Zeugnis wird sich in der Dunkelheit verstecken, bis das Mädchen nicht mehr sein wird, und auch ich werde den Weg allen Fleisches gehen, und vielleicht, vielleicht werde ich dann an einem Ort sein, an dem ich dir meine Rechnung vorlegen und einen Ausgleich verlangen kann.
    Dann werde ich dir näher sein, als ich es je war.
    Ich zerriss meine Kleider. Ich vergrub meinen Kopf

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