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Und die Ratte lacht - Roman

Und die Ratte lacht - Roman

Titel: Und die Ratte lacht - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Persona Verlag
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Glitzern ihrer Augen war ihr einziges Licht.
    Ihre Arme oder Beine konnte sie nicht sehen. Um sich zu vergewissern, dass es sie gab, betastete sie sich, und so entdeckte sie die Läuse. Sie wusste nicht, dass man sie so nannte. Die winzigen Geschöpfe nisteten sich in ihren Haaren und an ihrem Körper ein, waren fruchtbar und vermehrten sich. Sie zupfte sie von ihrem Körper und zerdrückte sie. Das einzige Geräusch in der Dunkelheit, außer ihren eigenen Atemzügen, die sie im Lauf der Zeit immer leiser auszustoßen lernte.
    Ihre Sinne, die fast mit einem Schlag sehr scharf geworden waren, begannen, die unterirdischen Prozesse zu registrieren. Das Faulen der Kartoffeln. Das langsame Ausschlagen der Wurzeln. Das Stöhnen der Leiter, die in das Erdloch herunterführte. Das Rascheln der Samenkörner, die sich bemühten auszuschlagen. Das Tropfen des Regens, der in die Erde sickerte.
    Auch die Geräusche über der Erde lernte sie zu erkennen. Das Muhen und Knurren. Die Schritte der Kühe. Das Quaken der Frösche aus dem fernen Teich.
    Sie konzentrierte sich auf jedes Rascheln, entzifferte seine Auswirkung auf die obere Welt. Dann übersetzte sie die Geräusche in Bilder. Das Heu, das sich in der Scheune türmte. Das Aufschlagen der Mistgabel. Das Schnauben des Pferds, wenn der Bauer das Getreidefeld überquerte. Wenn er über seine Frau herfiel: Wer hat diese Last gebraucht. Du dumme Kuh. Für so wenig Geld. Jesus, diese kleine Jüdin bringt uns alle in Gefahr.
    Vögel hörte sie nie, vielleicht weil sie zu weit entfernt waren. Doch die Flugzeuge hörte sie genau. Jedes Mal, wenn sie das ohrenbetäubende Brummen wahrnahm, musste sie an Vater und Mutter denken und klammerte sich an ihr Versprechen. Auch wenn sie die grausamsten Eltern von der Welt waren, Eltern, die ihre Tochter im Stich gelassen hatten, wollte sie bei ihnen sein. Jedes Glied ihres Körpers sehnte sich danach, gestreichelt zu werden. Der Zorn und die Sehnsucht mischten sich. Niemals würde sie sie voneinander unterscheiden können.
    Die Bäuerin kam die Leiter herunter, stellte einen Teller Essen auf das Stroh, einen Löffel und einen Eimer, um ihre Notdurft zu verrichten, und verkündete: Bis du es nicht weißt, kommst du nicht rauf.
    Doch das Mädchen, das sie einmal war, wusste nicht, was es wissen sollte.
    *
    Zweimal am Tag Suppe und zwei Scheiben Brot. Das war ihre Zeittafel. Wenn der Hunger zurückkam – und er überfiel sie mit Macht – begann sie, Kartoffeln zu nagen. Später hatte sie Angst, die Bäuerin könnte die Kartoffeln abgezählt haben und feststellen, dass die abgenagten fehlten. Sie lernte, nur die schimmligen zu nehmen.
    In einem seltenen Moment des Muts fragte sie, wenn ihr die Juden so hasst, warum wart ihr dann einverstanden, dass ich unter eurer Erde bin?
    Die Bäuerin sagte: Bete, dass das Geld kommt, und spuckte auf den dunklen Boden.
    Ave Maria, gratia plena, dominus tecum, benedicta tu in mulieribus, et benedictus fructus ventris tui, Iesus. Sancta Maria, mater dei, ora pro nobis peccatoribus, nunc et in hora mortis nostrae. Amen.
    Das Mädchen das sie einmal war, stammelte lautlos, hatte Schwierigkeiten mit den Worten. In der Dunkelheit zielte die erfahrene Hand der Bäuerin nach ihrer Wange und schlug sie. Sie sagte, kleine Sünderin, sprich laut, nur so wirst du es lernen. Wir hätten mehr verlangen sollen, so viel wie du uns kostest.
    Sie hob die kleine Hand und schlug das Kreuz, einmal und noch einmal, bis sie zufrieden war.
    Oben zischte der Bauer, es reicht, ich habe die Nase voll. Ich verrate sie, Schluss mit dieser Geschichte.
    Genau wie ihre Eltern, wenn sie über sie gesprochen hatten, senkten sie die Stimmen.
    Sie möchte nicht erwachsen werden, nie.
    *
    Die alte Frau macht sich keine Illusionen. Ihre Geschichte besteht aus Bruchstücken. Die Chance, sie zu diesem späten Zeitpunkt zusammenzufügen, ist sehr gering.
    Die alten Menschen in ihrer Umgebung verlieren das Gedächtnis. Insgeheim beneidet sie sie darum.
    Je länger die alte Frau erzählt, umso mehr erinnert sie sich, und je mehr sie sich erinnert, umso weniger erzählt sie.
    Dieses Gespräch an einem sonnenüberfluteten Nachmittag in Tel Aviv wird unerträglich.
    *
    Das Mädchen, das sie einmal war, schrumpfte immer mehr in seiner Haut zusammen, sog die Dunkelheit in sich auf. Sie lernte, immer weniger Platz zu beanspruchen. Sich zu verhalten wie ein vollkommen unterirdisches Geschöpf. Gegrüßet seist du, Maria. Du bist gebenedeit unter den Frauen,

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