Und die Toten laesst man ruhen
Gewehr auf dem Boden aufschlug.«
»Die Hemingway-Legende.«
»Die Mordkommission hat dies nur als zusätzliche Möglichkeit festgehalten. Wahrscheinlicher ist schon, dass er sich umbringen wollte und in der Aufregung zu früh abgedrückt hat. Die Ehestreitigkeiten hatten einen beinahe öffentlichen Charakter angenommen. Außerdem gab es da noch die Abschiedsbriefe.«
»Die gefälscht sein könnten.«
»Von drei Schriftexperten haben zwei gesagt, dass sie echt sind. Das ist eine demokratische Mehrheit.«
»Immerhin hat einer also etwas anderes gesagt.«
»Der dritte war sich nicht sicher. Aber du musst bedenken, dass jemand, der sich in den nächsten Minuten erschießen will, nicht mit derselben ruhigen Hand schreibt, mit der er Urlaubspostkarten vollkritzelt.«
»Gab es noch weitere Besonderheiten?«
»Auf dem Gewehr waren die Fingerabdrücke des Nachbarn. Aber auch das ist verständlich. Der gute Mann hat das Gewehr beiseite gelegt, weil er sich zu dem Sterbenden hinabbeugen wollte. Trotzdem haben die Kollegen den Mann durchleuchtet. Er hatte keinen, aber auch nicht den geringsten Grund, Pobradt umzubringen. Abgesehen davon, dass es nicht den kleinsten Hinweis darauf gab, dass er was mit der Pobradt hatte, war er doppelt so alt und zweimal so hässlich.«
»Wer hat eigentlich die Untersuchung geleitet?«
»Merschmann.«
»Ach der.« Merschmann war mir noch in unguter Erinnerung. Und das nicht nur wegen seines unangenehm vierschrötigen Wesens.
Stürzenbecher lächelte maliziös. »Du weißt ja, wie gründlich der arbeitet. Allerdings …«
Ich guckte ihn erwartungsvoll an.
»Es gibt da schon eine Besonderheit. Zunächst hat Merschmann den Fall als Routine behandelt und sehr schnell abgeschlossen. Erst als Hermann Pobradt anfing, seine Vorwürfe öffentlich zu erheben, wurde die Sache noch einmal aufgerollt. Manches konnte jetzt nicht mehr nachgeprüft werden und so hat Merschmann Hermann Pobradt indirekt die Munition geliefert.«
»Was ist eigentlich mit Hillerich? Hillerich und Pobradt sollen krumme Dinger gedreht haben, wie ich hörte.«
»Hermann Pobradt hat das behauptet. Beweisen konnte er es nicht. Möglicherweise hat sich auch niemand ein Bein ausgerissen, der Geschichte auf den Grund zu gehen. Was soll man einem Toten noch ans Zeug flicken?«
»Und Hillerich hat den an ihn gerichteten Abschiedsbrief vernichtet.«
»Ja, eine dieser kleinen Arabesken, die die Geschichte auch für die Presse interessant machte. Aber wenn du mich fragst, standen in dem Brief ganz einfach ein paar handfeste Beleidigungen, die Hillerich einer größeren Öffentlichkeit nicht zumuten wollte. Ich persönlich halte es auch nicht für ausgeschlossen, dass da einiges gemauschelt wurde. Nicht umsonst ist Hillerich heute mehrfacher Millionär.«
»Gerade deswegen finde ich langsam Interesse an dem Fall«, sagte ich.
»Erhoff dir nicht zu viel. Merschmann mag Mist gebaut haben, deshalb muss seine Schlussfolgerung nicht falsch sein. Alles spricht dafür, dass Pobradt Hand an sich gelegt hat.«
»Vielleicht spricht alles dafür, nachdem Merschmann ermittelt hat.«
»Sei vorsichtig! Auch deine Detektivlizenz kann dir entzogen werden.«
»Mir ist im Leben schon Schlimmeres passiert. Du weißt, dass ich eine Doppelexistenz führe.«
»Briefmarken«, grunzte er verächtlich.
Der Tag war noch recht jung, doch die seltene Sonne brannte bereits recht kräftig vom Himmel. Ich kurbelte das Wagenfenster herunter und ließ mir ein bisschen Frühlingsluft um die Ohren pfeifen. Diesmal fuhr ich nach Amelsbüren, einem kleinen Vorort mit Resten dörflicher Kultur, um die sich die Reihenhäuser der in Münster arbeitenden Verwaltungsangestellten gruppierten.
Kurt Hillerich wohnte in einem fachwerkartig herausgeputzten Haus, das einem Bauernhaus so ähnlich sah wie eine Kuchengabel einer Mistharke. Durch ein großes Fenster neben dem Eingang sah ich einen gediegenen Holztisch in einer gediegenen Einbauküche. Der Raum war leer bis auf zwei dreckige Tassen auf der Anrichte.
Ich klingelte und eine große strenge Frau mit einem Knoten im grauen Haar öffnete.
»Sie wünschen?«
»Mein Name ist Georg Wilsberg. Ich möchte Kurt Hillerich sprechen.«
»In welcher Angelegenheit?«
»Privat.«
»Sind Sie angemeldet?«
»Nein.«
»Warten Sie bitte hier!«
Ich wartete. Fünf Minuten später kam sie zurück.
»Mein Mann ist in seinem Arbeitszimmer. Bitte hier entlang!«
Kein Panoramablick, sondern ein kleines Zimmerchen von
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