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Und die Toten laesst man ruhen

Und die Toten laesst man ruhen

Titel: Und die Toten laesst man ruhen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Kehrer
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vielleicht dreißig Quadratmetern, mit nur drei Fenstern, die alle auf einen angrenzenden Acker hinausführten. Hillerich, ein Mann um die Mitte sechzig, mit nach hinten gekämmtem grauen Haar und einer leicht geröteten Nase, saß hinter seinem Schreibtisch. Vermutlich hatte er sich extra für mich dorthin gesetzt, denn ich sah keinerlei Anzeichen von Arbeit.
    »Junger Mann, für einen Unbekannten ist es etwas unverfroren, seinen Besuch als privat zu bezeichnen. Ich hoffe, Sie haben einen guten Grund«, sagte er mit schnarrender Stimme.
    »Ich bin Privatdetektiv. Wie würden Sie das bezeichnen, was ich mache? Geschäftlich kann man es kaum nennen.«
    »Wer hat Sie beauftragt – und wozu?«
    Da er keine Anstalten machte, mir einen Sitzplatz anzubieten, setzte ich mich auf den nächstbesten Sessel.
    »Zum Ersten bin ich nicht befugt, Auskünfte zu erteilen, zum Zweiten handelt es sich um den Todesfall Karl Pobradt.«
    Er starrte mich an, und ich verbrachte eine ungemütliche Minute.
    »Der Idiot ist also wieder frei.«
    »Wie bitte?«
    »Sie wissen schon, wen ich meine. Na und, was haben Sie auf dem Herzen? Ich gebe Ihnen fünf Minuten, mehr Zeit kann ich nicht entbehren.«
    »Es gab damals einen dritten Abschiedsbrief, der an Sie gerichtet war. Was stand in dem Brief?«
    Er machte eine wegwerfende Handbewegung. »Dummes Zeug. Karl warf mir vor, ich hätte ihn menschlich enttäuscht. Hätte mich von ihm zurückgezogen, seine Gegenwart gemieden und so weiter.«
    »Daraufhin haben Sie den Brief weggeworfen?«
    »Ja.«
    »Ist das nicht ungewöhnlich bei einem Abschiedsbrief?«
    »Für Sie mag das ungewöhnlich sein. Für mich war es Geschwätz eines kranken Hirns. Nichts von dem, was er geschrieben hat, stimmte. Er muss sich aus Enttäuschung über seine Ehe in eine depressive Stimmung hineingesteigert haben, in der er nicht mehr wusste, wer gut und wer böse war.«
    »Und Sie waren gut?«
    »Natürlich. Ich habe ihm geholfen, solange es ging. Halbe Nächte sind dabei draufgegangen, ihm zuzureden wie einem kranken Pferd. Aber versuchen Sie mal, jemanden, der neben dem offenen Fenster schläft, daran zu hindern, aus dem Fenster zu springen.«
    »Kann nicht sein, dass in dem Brief etwas ganz anderes stand?«
    »Zum Beispiel?« Seine ungemütlichen Augen bekamen etwas Gefährliches.
    »Zum Beispiel, dass er nicht länger mit Ihnen krumme Geschäfte machen wollte.«
    »Ich mache keine krummen Geschäfte. Ich bin ein angesehener und geachteter Bürger dieser Stadt. Was Ihnen Hermann Pobradt erzählt hat, hat pathologische Gründe. Fragen Sie seinen Arzt!«
    »Immerhin hat auch seine Mutter gesagt, dass Karl aussteigen und sein Geld auf ehrliche Weise verdienen wollte.« Das hatte ich zwar nicht nachgeprüft, aber eine kleine Lüge ist unter bestimmten Umständen erlaubt.
    Wieder die wegwerfende Handbewegung. »Eine Mutter hält zu ihrem Sohn, besonders, wenn es nur noch einen davon gibt. Im Übrigen sind die ganzen Vorwürfe damals von der Polizei geprüft worden.«
    »Äußerst oberflächlich.«
    »Ob oberflächlich oder nicht, kann ich nicht beurteilen. Mein Vertrauen in die Polizei ist jedenfalls groß genug, dass ich sie vor Herummäklern in Schutz nehme.« Er guckte auf seine Armbanduhr. Ich hatte noch eine Minute.
    »In Ihrem Fall kann ich das verstehen. Schließlich stand die Polizei auf Ihrer Seite.«
    »Herr …«
    »Wilsberg.«
    »Herr Wilsberg, ich habe Ihnen mehr Zeit geschenkt, als ich guten Gewissens verantworten kann, und ich muss sagen: Sie erscheint mir zunehmend verschwendet.«
    Er stand auf und ging zur Tür. Ich erhob mich ebenfalls.
    »Eine Frage noch.«
    »Aber kurz, bitte!«
    »Stimmt es, dass Sie nach dem Tod von Karl Pobradt weiter mit der Firma Pobradt Geschäfte gemacht haben?«
    »Es ist richtig, dass ich mit der Firma Pobradt geschäftlich zu tun hatte, vor und nach dem Tod von Karl Pobradt.«
    Er öffnete die Tür. Ich ging freiwillig.
     
    Als Nächstes schaute ich kurz im Laden vorbei, um zu sehen, wie Willi zurechtkam. Um diese Zeit, am späten Vormittag, herrschte immer der größte Andrang. Zu Hause standen die Frauen in der Küche und die Männer spazierten durch die Stadt, hielten ein Schwätzchen am Lambertibrunnen oder bei mir im Laden.
    Im Moment war eine Dreiergruppe mit fünf Beinen und fünf Armen in eine lautstarke Diskussion verwickelt.
    »Georg«, brüllte der siebzigjährige Egon und hob zum Gruß seine Krücke, »komm mal her! Welche Farbe hat die Kuppel des

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