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Und die Toten laesst man ruhen

Und die Toten laesst man ruhen

Titel: Und die Toten laesst man ruhen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Kehrer
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Außer mir und dem Mann im Datsun war die Straße menschenleer.
    Zwischen zwei Bäumen stellte ich den Wagen schräg und stieg aus. Der andere stoppte seinen Wagen zwei Meter vor mir. Wir starrten uns eine Weile an, dann öffnete er die Wagentür und kam heraus. Er war einen halben Kopf größer als ich und zehn Kilo schwerer. Zu Anfang meiner Detektivzeit hatte ich Karate-Training genommen, dann allerdings wieder damit aufgehört, als ich merkte, dass der Beruf ziemlich ungefährlich war. Jetzt bereute ich diesen Entschluss.
    Er kam langsam auf mich zu. Als er nur noch einen Meter entfernt war, sagte ich mit ruhiger Stimme: »Können Sie mir verraten, warum Sie mich verfolgen?«
    Sein Riesenkinn klappte nach unten: »Ich wollte sehen, wie so ein schnüffelndes Arschloch aussieht.«
    »Jetzt sehen Sie es«, sagte ich und machte eine vage Handbewegung. »Für Leute, die mich kennenlernen wollen, stehe ich auch im Telefonbuch. Das spart Benzin.«
    Mein Einwand schien ihn nicht zu beeindrucken. Er kam ganz dicht an mich heran, sodass ich seinen Schweiß riechen konnte. »Hören Sie auf damit!«
    »Womit soll ich aufhören?«
    Ich registrierte, dass er seine Hände zu Fäusten geballt hatte.
    »Herumzuschnüffeln. Lassen Sie die Toten ruhen! Es bringt nichts, Leichen auszugraben, die seit zwanzig Jahren unter der Erde liegen.«
    »Ich mach das nicht aus Spaß«, gab ich zu bedenken. »Es ist mein Job, so wie Sie vielleicht Bankkonten prüfen.«
    »Ein Scheißjob«, knurrte er und blies mir etwas Mundgeruch in die Nase.
    »Möglicherweise.« Langsam fing ich an, mir Sorgen um meine Gesundheit zu machen. »Es ist nur so, dass jemand an dieser Leiche interessiert ist. Und es ist sein gutes Recht, einen Privatdetektiv zu engagieren. Mir persönlich ist es scheißegal, auf welche Weise Karl Pobradt vom Leben zum Tod befördert wurde.«
    »Sie wollen nur Kohle machen, was?«
    »Wenn Sie es so ausdrücken wollen.«
    »Okay, ich zahle Ihnen das, was Ihr Auftraggeber zahlt, und noch tausend Mark drauf, wenn Sie ihm sagen, dass Sie nichts herausgefunden haben.«
    Ich überlegte mir sein Angebot einen Moment.
    »Vielen Dank, aber das geht nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Ich muss an meinen Ruf denken. Jemand, der sich kaufen lässt, ist schnell aus dem Rennen.« Darüber hinaus misstraute ich seiner Zahlungswilligkeit. Ich schließe nicht gerne Geschäfte unter Druck ab.
    »Ich will, dass Sie aufhören«, sagte er und zeigte mir seine vom Zigarettenqualm eingefärbten Zähne. Mit einiger Willensanstrengung schaffte ich es, dem Impuls zu widerstehen, ihn etwas zurückzuschieben.
    »Was ist, wenn ich es nicht tue?«
    »Sie sagen mir jetzt hier auf der Stelle, dass Sie damit aufhören, sonst …« Er begann, seine Fäuste zu heben, und ich sah rot.
    Für großangelegte Tricks war weder die Zeit noch der Platz vorhanden. Also stieß ich ihm mein rechtes Knie in die Eier. Dummerweise hatte ich die Hebelwirkung übersehen. Sein Kopf, der ohnehin nur rund zehn Zentimeter über mir schwebte, titschte mir ins Gesicht und ich taumelte rückwärts gegen den Wagen. Als ich gerade wieder einen klaren Gedanken fassen wollte, bekam ich einen fürchterlichen Schlag in den Magen, der mein unverdautes Frühstück nach oben beförderte und mich umknicken ließ. In der Abwärtsbewegung traf mich sein Knie an der Nase und, auf dem Boden liegend, spürte ich eine Schuhspitze zwischen den Rippen und an anderen empfindlichen Stellen. Er sagte etwas, was ich nicht verstand, und verschwand.
    Wieder einmal verfluchte ich meine unverzeihliche Dummheit, die mich vor vier Jahren verleitet hatte, hunderttausend Mark zu unterschlagen. Statt auf einer feuchten Straße zu liegen, hätte ich jetzt im schicken Anzug durch ein Gerichtsgebäude spazieren können.
    In einiger Entfernung hörte ich das Geräusch einer Fahrradklingel. Mir fiel ein, dass ich vergessen hatte, meinen Gesprächspartner nach seinem Namen zu fragen. Dann schmeckte ich eine Mischung aus Blut und Kotze und wurde ohnmächtig.

V
     
     
    Als ich aufwachte, spürte ich einen unbändigen Juckreiz in der linken Kniekehle. Ich langte hinunter und schrie auf. Jemand hatte mir mit einem Gummiknüppel auf die Brust geschlagen.
    Ich machte die Augen auf und sah einen Tropf neben meinem Bett stehen. Ein Schlauch verband den Tropf mit meinem linken Arm. Der Arm war etwas blutig, sah aber ansonsten ganz okay aus. Ich riskierte einen Blick nach unten. Die Brustgegend war ziemlich stark bandagiert, mehr konnte

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