Und die Toten laesst man ruhen
Felsendoms?«
»Der Felsendom in Jerusalem?«
Die drei nickten und starrten mich erwartungsvoll an.
»Auf welcher Marke?«
»Ungefähr 1950, jordanische Post.«
»Grau.«
»Siehst du!«, sagte Egon. »Ich hab's doch gleich gesagt.«
»Das glaube ich nicht«, beharrte sein Kontrahent, »kürzlich im Fernsehen hatte er eine goldene Kuppel.«
»Der Felsendom ist in den Sechzigerjahren restauriert worden«, schaltete ich mich wieder ein. »Vorher hatte er ein Bleidach.«
»Ha!«, machte Egon. Der Tag war für ihn gerettet. Und für mich machte es sich gut, wenn ich ab und zu meine Kompetenz bewies.
Ich verließ die Diskutanten und schlenderte zu Willi hinüber, der gerade ein Verkaufsgespräch führte.
»Es soll für meinen Enkel sein«, sagte ein älterer Herr im beigefarbenen Popelinemantel. »Er sammelt nämlich Sonderprägungen und diese hier hat er noch nicht.« Vor ihm auf dem gläsernen Ladentisch lag das Leipniz-Fünfmarkstück von 1967, eine Münze, die wir für 130 Mark im Angebot hatten.
»Ein sehr schönes Geschenk«, stimmte Willi mit süßlicher Stimme zu.
»Aber 130 Mark«, sagte der Mann und wackelte mit den abstehenden Ohren, »für ein einziges Fünfmarkstück.«
»In wenigen Jahren steht es wahrscheinlich viel höher im Kurs«, setzte Willi nach. »So eine Münze ist ja auch eine Kapitalanlage.«
»Hhmm, hhmm«, machte der Mann, »ich glaube, ich überlege es mir noch mal.«
Willi blickte zu mir herüber und ich nickte unmerklich.
»Okay«, strahlte Willi, »ich gebe sie Ihnen für 120.«
Glücklich verließ der Mann den Laden. Ein gutes Geschäft kennt keine Verlierer.
Ich zog Willi in die Ecke und fragte mit leiser Stimme: »Wie läuft's?«
»Keine Probleme. Ich hab alles im Griff.«
»Irgendwelche Telefonanrufe für mich?«
Willi schüttelte den Kopf. »Weißt du, was ich morgen machen werde?« Triumphierend guckte er mich an. »Einen Feuerlauf. Barfuß über tausend Grad heiße Kohlen. Nur mit der Kraft des Willens.«
»Wage es ja nicht, zu Hause zu bleiben, wenn du dir die Füße verbrennst! Ich habe noch ein paar Tage zu tun.«
»Materialist«, zischte Willi. »Außerdem verbrenne ich mir nicht die Füße.«
Ich hob zwei Finger an die Stirn, brüllte dem schwerhörigen Egon ein »Tschüss« zu und machte mich wieder auf den Weg. Vor meinem Wagen stand Hilfssheriff Kowalski und verrichtete seine trostlose Arbeit. Ein klarer Fall für die Spesenrechnung.
Mein Besuchsprogramm für diesen Tag sah unter Punkt drei den ehemaligen Nachbarn der Pobradts vor. Ich hatte mir seinen Namen von Stürzenbecher geben lassen und das wichtigste Hilfsmittel des Detektivs, das Telefonbuch, benutzt. Wenn er keinen Namensvetter besaß, wohnte mein Kunde in Coerde.
Als aufmerksamer Autofahrer gucke ich gelegentlich in den Rückspiegel. So entging mir nicht, dass mir auf dem Weg in die nördliche Vorstadt ein roter Datsun folgte. Falls man sich verfolgt fühlt, handelt es sich in acht von zehn Fällen um pure Einbildung und in zweien um einen Polizeiwagen. Polizei fiel in diesem Fall aus, weil die deutsche Polizei nur deutsche Autos fährt und in dem Datsun ein einzelner Mann saß. Ich tippte also auf Einbildung und machte zur Sicherheit einen Schlenker in eine Sackgasse. Als ich schon gewendet hatte, rollte der Datsun heran. Hinter dem Steuer saß ein etwa fünfunddreißigjähriger Blondi mit vorspringendem Riesenkinn. Er guckte betont uninteressiert, wusste aber nicht, was er mit seinem Wagen anfangen sollte. Schließlich hielt er mir gegenüber auf der anderen Straßenseite, ohne den Motor abzustellen. Das machte mich stutzig.
Ich gab Gas und kehrte auf die große Verbindungsstraße zwischen Innenstadt und Coerde zurück. Nach einiger Zeit sah ich den Datsun im Rückspiegel. Während ich mit der rechten Hand einen Zigarillo aus der Jackentasche pulte, strengte ich meine Gehirnzellen an. In meiner nicht allzu langen Laufbahn als Detektiv hatte ich zwar oft genug Leute verfolgt, war aber noch nie in die Verlegenheit gekommen, in die Rolle des Verfolgten schlüpfen zu müssen. Außerdem beunruhigte mich das breite Kinn meines Verfolgers.
Ich entschied mich klopfenden Herzens für das Risiko und fuhr an Coerde vorbei in Richtung Handorf. Kurz vor Handorf gibt es auf der linken Seite einen kleinen Wald mit Ausflugslokal, das man über eine schmale Straße erreicht. Mitten in der Woche verirren sich kaum Spaziergänger in diese Gegend. Aber auch von denen war im Moment nichts zu sehen.
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