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Und die Toten laesst man ruhen

Und die Toten laesst man ruhen

Titel: Und die Toten laesst man ruhen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Kehrer
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die Bettdecke abstreifte, füllte sich das Zimmer mit grünen Gestalten. Im Hintergrund entdeckte ich zwei graue Herren. Vermutlich die zivile Einsatzleitung.
    »An die Wand!«, kommandierte mein persönlicher Betreuer.
    Nackt, wie ich war, lehnte ich mich mit den Händen gegen die Wand. Dass er mich nicht abtastete, war sein erster Verstoß gegen das Lehrbuch. Ich hätte ja einen Zeitzünder im Arsch versteckt haben können.
    »Das reicht«, sagte eine fettige Stimme. »Wir wollen hier keine Nacktshow veranstalten. Ziehen Sie sich an, Wilsberg!«
    Ich drängte mich durch den Menschenauflauf in meinem Schlafzimmer und legte Jeans und ein Sweatshirt an. Als ich damit fertig war, hielt mir der ältere der beiden Grauröcke zwei Zettel vor die Nase. »Der Haftbefehl und der Hausdurchsuchungsbeschluss.«
    »Zeigen Sie mir auch noch Ihren Ausweis!«
    »Wozu? Glauben Sie, wir sind von der Heilsarmee?«
    »Vielleicht bin ich gezwungen, Ihren Namen meinem Rechtsanwalt mitzuteilen.«
    Er seufzte und zückte seinen Ausweis. Es handelte sich um Kommissar Pfeiffer.
    »Zufrieden?«
    »Vielen Dank, Herr Pfeiffer. Können Sie mir jetzt sagen, warum Sie hier eingedrungen sind? Eine Vorladung hätte auch gereicht.«
    Er zuckte mit den Schultern. »Was weiß ich? Mir wurde gesagt, es bestünde Verdunkelungsgefahr. Wenn man Nachtdienst hat, fragt man nicht lange.«
    »Aha. Wissen Sie denn, wonach Sie suchen sollen?«
    Seine grauen Augen verengten sich etwas. »Schluss jetzt mit der Fragerei! Auf dem Präsidium haben Sie noch genügend Gelegenheit dazu. Hülsmann!«
    Ein Jüngelchen mit keckem Schnurrbart drängte sich nach vorn.
    »Nehmen Sie ihn mit!«
    Hülsmann rupfte ein Paar Handschellen aus dem Gürtel und machte Anstalten, sie mir anzulegen.
    »Moment«, sagte ich, »ich muss meine Medikamente mitnehmen. Ich habe Neuro …«
    »Quatsch«, sagte Pfeiffer. »Erzählen Sie das dem Doktor!«
    »Warten Sie mal! Ich bin krank. Ich …«
    Hülsmann riss an meinen Händen und zwängte sie in die Handschellen. Dann zerrte er mich mithilfe von zwei Uniformierten auf die Beine.
    »Verflucht noch mal, Pfeiffer. Das gibt eine Dienstaufsichtsbeschwerde. Wenn nicht sogar eine Anzeige wegen Körperverletzung.«
    »Und wenn schon!«, brummte Pfeiffer. »Mein Chef mag mich.«
    Sie stießen mich in den Flur und über die herausgebrochene Wohnungstür.
    »Und wer ersetzt mir den Schaden?«, maulte ich. »Was ist überhaupt, wenn die Wohnung in meiner Abwesenheit geplündert wird?«
    »Wir lassen die Tür reparieren. Auf Ihre Kosten.« Das war das Erste, was Hülsmann von sich gab. Es war nicht dazu angetan, mit ihm eine längere Unterhaltung anzufangen.
    Ich saß nicht das erste Mal in einem vergitterten Polizeibus. Aber dieses Mal fühlte ich mich nur halb so beschissen wie letztes Mal. Damals hatte ich meine bürgerliche Existenz verloren. Diesmal drohten mir nur ein paar Stunden oder höchstens einige Tage in einer hässlichen grauen Zelle. Ich schloss die Augen und entspannte mich. Beinahe wäre ich auf dem harten Polster eingeschlafen.
    Ein plötzlicher Ruck riss mich aus dem Dämmerzustand. Unmittelbar darauf quietschten die Seitentüren und zwei kräftige Hände packten mich an den Oberarmen. Im Sandwichsystem gingen wir über den Innenhof in die Eingangshalle des Polizeipräsidiums.
    »Führen Sie mich bitte zu einem Telefon! Ich möchte meinen Anwalt anrufen«, sagte ich zu Hülsmann.
    Hülsmann guckte geradeaus.
    »Haben Sie nicht gehört? Ich will meinen Anwalt anrufen.«
    »Später.« Sein fusseliger Schnurrbart bebte.
    »Warum behandelt ihr mich eigentlich so, als hätte ich den Polizeipräsidenten ermordet?«, fuhr ich ihn an.
    Als Antwort bekam ich einen Stoß in den Rücken, sodass ich fast über einen der innenarchitektonisch reizvollen Blumenkübel gestolpert wäre.
    Sie schleppten mich nach unten in eine Zelle, die genauso trostlos aussah wie alles, was vier Wände und den Zweck hat, einen Menschen lebendig einzusargen. Ich legte mich auf die Pritsche und versuchte zu schlafen. Es ging nicht mehr. Fensterlose Räume machen mich krank.
    Nach dreißig Minuten, in denen ich die trübsinnige Atmosphäre auf mich wirken ließ, stützte ich mich auf und betrachtete mein neues Zuhause. Es enthielt einen Metallschrank, ein Waschbecken, eine Kloschüssel und ein in die Wand einzementiertes Blechregal, das bis auf eine dünne Staubschicht leer war. Ganz allmählich fing meine Haut an zu kribbeln. Ich hatte sie seit dem letzten Abend nicht

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