...und Don Camillo mittendrin...
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Milca war damals dreißig Jahre alt, aber sie hatten ihn wegen seines kranken Beines daheim gelassen, und vor allem auch, weil er der einzige rüstige Mann war, der das Anwesen bestellen konnte. Milcas Frau war eben nur eine Frau und oft bei schlechter Gesundheit, während sein noch nicht elfjähriger Sohn vor Gesundheit strotzte.
Das war Milcas ganze Familie, und in Kriegszeiten kann man die Höfe nicht unbestellt lassen, denn die Landwirtschaft ist ebensowichtig wie die Industrie, wenn nicht noch wichtiger.
Feldwebel Fritz war ein anständiger Kerl in den Dreißigern, und er tat seine Pflicht als Soldat, wie ein anderer seine Pflicht als Magaziner oder Buchhalter tut. Als guter Deutscher hatte er eine Schwäche für den italienischen Wein, und wenn er eins über den Durst getrunken hatte, zog er aus der Brieftasche die Fotografie einer schönen fünfundzwanzigjährigen Blondine und eines etwa zehnmonatigen blonden Jungen und fing an zu weinen.
Feldwebel Fritz fühlte sich in Milcas Haus äußerst wohl. Milca und seine Frau behandelten ihn wie einen Familienangehörigen, denn Feldwebel Fritz war nicht nur ein guter Kerl - er war auch für die Verpflegung verantwortlich und kam nie mit leeren Händen in die « Torretta ».
Feldwebel Fritz blieb bei Milca bis zum 28. März 1945. Am Abend des 28. März 1945 kehrte er nicht nach Hause zurück, und am folgenden Morgen fischten sie ihn in der Nähe von Brugello aus den Wassern des Stivone .
Aber er war nicht ertrunken, sondern drei Kugeln einer P 38 hatten seinen Kopf zerfetzt. In jenen Tagen waren die Partisanen sehr aktiv, und Feldwebel Fritz war eben einer Partisanen-Patrouille in die Hände gefallen.
Der Krieg ging zu Ende, und am Tag des 28. März 1946 traf eine blonde Frau mit einem blonden Jungen in der « Torretta » ein. Die Frau konnte vier Worte Italienisch, Milca konnte vier Worte Deutsch, und so verstanden sie sich ausgezeichnet.
«Ich bin die Witwe des Feldwebels Fritz», erklärte die Frau, «und ich bin gekommen, um ein paar Blumen auf das Grab meines Mannes zu legen.»
Milca begleitete sie zum Friedhof, und die Frau legte ihren armseligen Strauß zu Füßen des groben Holzkreuzes, auf dem die Geschichte des Feldwebels Fritz geschrieben stand:
Fritz Hauser
3.2.1915 28.3.1945
Milca und seine Frau wünschten, daß die Frau und der Junge eine Woche bei ihnen wohnen sollten. Die Deutsche erzählte von der schrecklichen Lage, in der sich ihr Land befand, von den entsetzlichen Schwierigkeiten, die sie überwinden mußte, um von Deutschland aus in Milcas Dorf zu gelangen. Aber die meiste Zeit sprach sie nur von Fritz.
Und sie erzählte, daß Fritz ihr rührende Dinge über Milca und seine Familie geschrieben hatte, und machte deutlich, daß sie wohl gekommen war, um Blumen auf das Grab von Fritz zu legen, hauptsächlich aber, um bei Milca und seiner Frau eine Schuld abzutragen. Besser gesagt, um für all das zu danken, was sie für Fritz getan hatten.
«Um hierherzukommen», erklärte die Deutsche, «mußte ich meinen wenigen Schmuck verkaufen, und das war unser einziger Reichtum. Aber ich hoffe Arbeit zu finden, damit ich sparen und auch nächstes Jahr wiederkommen kann, um Blumen auf das Grab von Fritz zu legen und euch Grüß Gott zu sagen.»
Sie hielt Wort, und im folgenden Jahr kam sie wieder. Sie kam jedes Jahr wieder. Pünktlich erschien sie an jedem 28. März mit ihrem Jungen in der « Torretta » und blieb eine Woche dort.
Auch im Dorf kannten alle die blonde Deutsche und ihre Geschichte. Alle grüßten sie freundlich, wenn sie ihr begegneten, schon weil sie ein prachtvoll gebautes Frauenzimmer war. Eine üppige Schönheit, wie sie in der Bassa auffällt und gefällt, weil man dort weibliche Rundungen sehr liebt.
Don Camillo schaute Milca ratlos an.
«Ich verstehe nicht, was es da besonderes zu verstehen gibt», brummte er. «Sie ist eine Witwe, und ich kann nichts dabei finden, wenn du sie für eine Woche beherbergst, denn du lebst ja nicht allein im Haus, sondern mit deinem Sohn und dem Weibsbild von Polizisten, das seine Frau ist. Und entschuldige, aber als die Deutsche letztes Jahr kam, war deine Frau, Gott hab’ sie selig, schon gestorben. Was hat sich denn in diesem Jahr geändert?»
Milca zögerte mit der Antwort. Dann sagte er schließlich bestimmt:
«Es ist jetzt einfach so, daß ich sie nicht mehr sehen will.»
Don Camillo zuckte die Schultern.
« Milca , was geht das mich an? Warum erzählst du das gerade mir? Wenn
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