und ein Geist aus alten Zeiten
reich bebilderten Ausgabe über die Geschichte der Mode im Schoß wieder auf der Bettdecke. Sie blätterte die Seiten durch, bis sie auf Abbildungen von Kindern stieß, die ähnlich gekleidet waren, wie die auf dem Foto. Die hier sind aus den 1870 er Jahren, dachte sie. Welche Familienmitglieder waren damals acht und zehn? Lily und Arthur können es nicht sein, sie waren zu der Zeit um die vierzig. Ich erinnere mich, dass Charles mir während seiner Recherchen auf Cantrip Towers erzählt hat, Arthur sei 1830 geboren worden.
Sie nahm das Foto wieder in die Hand. Vielleicht sind es zwei Kinder von Arthur und Lily? Wann ist Sidney gestorben? Ach ja, erinnerte sie sich, ich bin sicher, Grandma hat gesagt, es war 1958 , da war er über achtzig. Also wie alt war er dann 1870 ?
Sie schnappte sich Stift und Papier von ihrem Nachttisch und rechnete los. Wenn Sidney um 1865 geboren wurde, war er 1873 ungefähr acht Jahre alt. Das würde passen, dachte sie und nahm die Fotografie ein weiteres Mal in die Hand.
Und das ältere Mädchen? Konnte es etwa Margaret Cantrip sein? Grandma hat mir erzählt, dass sie ein paar Jahre älter war als Sidney, dachte Flame.
Sie betrachtete die Fotografie eine ganze Weile prüfend. Das ist ein Foto von Sidney und Margaret, dachte sie. Ich weiß es einfach. Seltsam daran ist nur, wie zugetan die beiden einander zu sein scheinen. Wie können sie sich später so zerstritten haben? Flame seufzte tief. Das ist es, dachte sie. Ich bin sicher, ich habe gefunden, wonach ich suchen sollte. Ich habe das fehlende Puzzleteil unseres Plans. Flame musste gähnen. Ich sollte schlafen gehen, denn morgen müssen wir durch das Portal gehen und Margaret Cantrip treffen. Ich sage es den anderen morgen früh.
Sie warf einen letzten Blick auf die Fotografie der beiden Kinder, dann legte sie sie behutsam auf ihren Nachttisch. Sie schloss den Deckel des Kästchens und stellte es auf den Boden. Dann machte sie das Licht aus und kuschelte sich unter ihre Bettdecke. Im Nu schlief Flame Cantrip tief und fest.
Nicht weit entfernt, auf Eichenruh, lag Verena Glass in ihrem Bett und wälzte sich unruhig hin und her. Obwohl sie hundemüde war, konnte sie einfach nicht einschlafen. Immer wieder sah sie das Bild von Flame Cantrip vor sich, wie sie ihren Blick erwiderte, nachdem der Geist die Mädchen im Wandschrank in Angst und Schrecken versetzt hatte.
Ihre Gedanken wanderten zu ihrer Großmutter Glenda. Sie dachte über all die Fragen nach, die sie ihr gestellt hatte, und wie sie nicht aufgehört hatte, nachzubohren.
Warum ist Grandma dermaßen besessen von den Cantrips?, fragte sie sich. Worum geht es hier wirklich? Es gibt eine Menge, das Grandma mir nicht erzählt hat, ich weiß so wenig.
Die Geschichte, wie Margaret ihr Haus verloren hatte und Sidney sie von Cantrip Towers verbannt hatte, war schrecklich und machte sie wütend. Aber gleichzeitig wusste Verena, dass womöglich noch eine andere Version der Geschichte existierte. Meine Großmutter ist die Einzige, die behauptet, Sidney sei ein schlechter Mensch gewesen. Niemand sonst sagt das.
Dieser Geist gestern war freundlich zu mir, aber er war es nicht zu den anderen Mädchen. Flame hat gesehen, was passiert ist, und es hat sie überrascht, dachte Verena. Es war, als sähe sie plötzlich etwas in mir, etwas, das ich selbst noch nicht erkannt habe. Flame weiß etwas, beschloss sie.
Als ihre Gedanken endlich zur Ruhe kamen, herrschte tiefschwarze Nacht. Und einen Moment später war Verena eingeschlafen.
Im Erdgeschoss des Hauses tigerte Glenda ruhelos durch das Wohnzimmer.
Was wird als Nächstes passieren?, überlegte sie. Die Mädchen werden versuchen, den Geist loszuwerden. Wie wollen sie das anstellen?
Ein Gedanke schoss ihr durch den Kopf. Charles hat mir erzählt, dass die Cantrip-Schwestern das Portal gefunden haben. Was wäre, wenn sie es öffneten, um nach Margaret zu suchen?
Glenda lächelte. So könnte ich sie alle auf einmal loswerden. Erst locken Margaret und ich sie durch das Portal und dann verlieren wir sie irgendwo in Zeit und Raum. Ha!
Und waren die Mädchen erst einmal verschwunden, würde das Marilyn Cantrip so sehr mitnehmen, dass sie nicht länger nach ihrem vermaledeiten Geld suchen würde, überlegte Glenda. Falls es das ist, was sie nach Frankreich getrieben hat. Das wäre überaus willkommen. Marilyn darf das Geld einfach nicht finden. Niemand darf je davon erfahren …
Glenda nahm auf dem cremefarbenen Sofa Platz und
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