und ein Geist aus alten Zeiten
biss sich auf die Lippe. »Ich frage mich, warum ich eben nur von
einem
Bild gesprochen habe.«
»Vielleicht gibt es noch ein ganz anderes, eins, das du bisher nicht gefunden hast«, schlug Sky vor.
Flame sah in die großen grauen Augen ihrer kleinen Schwester, und ihr wurde plötzlich etwas bewusst. Sky gab ihren Überlegungen oft eine neue Richtung, und Flame spürte, dass das gerade wieder einer dieser Momente war. »Ich seh mir die Fotos noch mal an, danke, Sky.«
»Wir lassen dich jetzt besser allein«, sagte Marina. »Zeit, schlafen zu gehen.«
Wenige Minuten später glitten Marina, Flora und Sky in ihren Betten in den Schlaf. Flame saß mit der Fotokiste auf ihrer roten Bettdecke. Auf dem Nachttisch neben ihrem Bett lagen die beiden Schwarzweißfotografien von Lily, Arthur und ihren Kindern und die von Mrs Duggery, George und Fred.
Habe ich vielleicht ein Foto in der Kiste übersehen?, grübelte sie. Ja, dachte sie dann. Da ist noch etwas. Ich fühle es …
Sie öffnete den Deckel und sah in die Schachtel. Darin befanden sich etwa hundert Fotografien.
Wie gehe ich am besten vor?, überlegte sie. Ich könnte sie auf der Bettdecke verteilen und mir eins nach dem anderen noch mal vornehmen. Oder …
Sie runzelte die Stirn. Wenn ich die Fotos vor mir ausbreite und sie mir ansehe, treffe ich die Entscheidung mit meinem Verstand, dachte sie. Vielleicht kann ich das Problem auf eine andere Weise lösen …
Ihre Miene entspannte sich. Ich weiß, was ich tun muss, beschloss sie. Ich muss meine Kräfte nutzen, um die Lösung zu finden. Ich versuche es auf eine neue Art.
Flame schloss ihre Augen und atmete tief ein und aus. Ich rufe meine Magie, damit ich erkenne, was wir mit uns durch das Portal nehmen müssen.
Als sie innerlich ganz ruhig geworden war und ihr Geist hellwach und konzentriert, griff sie mit ihrer linken Hand in die Kiste mit den Fotografien. Die Augen hielt sie weiter geschlossen.
Sie fuhr mit ihren Fingern durch die Fotos, schob sie nach rechts, dann nach links, grub tiefer.
Wo ist es?, dachte sie, während ihre Hand sich durch den Haufen bewegte. Wo ist das Bild, nach dem ich suche?
Urplötzlich griffen ihre Finger nach einem Foto und ließen es nicht mehr los.
Das ist es!, dachte sie und öffnete ihre Augen. Was immer darauf abgebildet ist, das ist das Foto, nach dem ich gesucht habe.
Mit angehaltenem Atem zog sie es aus dem Stapel. Im Schein der Nachttischlampe betrachtete sie die kleine, sehr alte Aufnahme von zwei Kindern.
Ein Mädchen, Flame schätzte sie auf etwa zehn Jahre, saß auf einem Stuhl und blickte direkt in die Kamera. Neben ihr stand ein Junge, der ein bisschen jünger aussah und wahrscheinlich um die acht Jahre alt war.
Das Mädchen lächelte. Ihr Lächeln wirkte geheimnisvoll, fand Flame. Sie hatte dunkle Augen und dichtes schwarzes Haar, das im Nacken zusammengebunden war und ihr bis auf den Rücken reichte. In ihre Stirn fiel ein Pony. Ihr Kleid war aus dunklem Samt mit einem runden Spitzenkragen und langen Ärmeln. Die obere Hälfte des Kleids war reich verziert mit Rüschen und Plisseefalten. Um die Taille trug sie eine breite Schärpe in einem helleren Ton. Ihre Schuhe waren schwarze Stiefeletten, die an der Seite geknöpft wurden. Sie sieht sehr fein gekleidet aus, dachte Flame.
Und ihr fiel noch etwas auf. Die linke Hand des Mädchens ruhte auf der rechten des Jungen. Die beiden gehören zusammen, dachte sie.
Der Junge sah das Mädchen an. Er hatte einen Arm um ihre Schulter gelegt und lächelte sie an. Es sieht aus, als würde er sie von ganzem Herzen lieben, dachte Flame.
Sie betrachtete die Kleidung des Jungen. Er trug einen grauen Anzug aus Tweed mit kurzen Hosen, die knapp oberhalb seiner Knie endeten. Sein Jackett war kurz und mit Knöpfen und einer Borte versehen. Darunter trug er eine Weste und ein helles Hemd. Wie das Mädchen hatte er schwarze Stiefel an, die bis zum Knöchel reichten. Das Haar des Jungen war hell, viel heller als das des Mädchens. Auch seine Augen sahen heller aus, dachte Flame.
Also, wer sind die beiden?, fragte sie sich. Der Junge und das Mädchen. Und warum habe ich dieses Foto ausgesucht? Komisch, ich erinnere mich gar nicht, es schon mal gesehen zu haben. Wenn ich herausfinde, wann das Foto gemacht wurde, könnte ich vielleicht herausfinden, wer diese Kinder sind …
Ihr Blick fiel auf das Bücherregal am anderen Ende des Zimmers, und sie stand auf, um sich eins der Bücher zu holen. Kurz darauf saß sie mit einer
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