und ein Geist aus alten Zeiten
verabschiedete sich Charles. Stephen brachte ihn zur Tür und Charles bedankte sich noch einmal bei ihm.
»Sehen wir dich morgen Abend beim Feuerwerk?«, fragte Stephen.
»Ja«, erwiderte Charles lächelnd.
»Exzellent«, sagte Stephen.
Da sie ihren Vater so lange hatte entbehren müssen, konnte Verena es gar nicht abwarten, mit ihm zu reden. »Lass uns spazieren gehen, Daddy! Ich muss dir was erzählen.«
Stephen lächelte sie an und drehte sich zu seiner Mutter um. Glenda zuckte mit den Schultern. »Geht nur, Liebling. Es ist so ein schöner Nachmittag.«
Kurz darauf brachen Stephen und Verena zu einem Waldspaziergang auf. Sie gingen untergehakt und glücklich strahlend nebeneinanderher. Er erzählte ihr von seiner Japanreise. Verena erzählte von der Schule und der Halloweenparty bei den Cantrips.
Dann sagte Stephen: »Ottalie und Colin haben mich angerufen. Sie machen sich Sorgen, dass du nicht glücklich darüber bist, mit Großmutter zusammenzuleben.«
Verena nickte schweigend.
»Was ist passiert?«, fragte Stephen.
Verena wäre am liebsten mit allem herausgeplatzt, doch sie hielt sich zurück und sagte leise: »Grandma ist anders, wenn du nicht da bist. Sie ist so kalt.«
»Ist sie das?«
»Sie ist wie Eis, Daddy. Sie redet nicht mit mir. Sie umarmt mich nicht. Was ich tue, interessiert sie nicht. Sie scheint die Cantrip-Familie zu hassen, und die Cantrips mögen sie auch nicht besonders. Wenn sie mich dort absetzt, wie bei der Party letzte Woche, geht sie nicht mit rein, und sie bitten sie auch nicht darum.« Verena sah ihren Vater an. »Mr und Mrs Cantrip sind liebenswerte Leute. Es ist Grandma, die seltsam ist. Sie ist kein netter Mensch.«
Stephen starrte geradeaus und nickte. »Ich dachte, sie hätte sich geändert. Sie hat sich nie viel um mich gekümmert, als ich ein kleiner Junge war. Dann, als ich erwachsen wurde, habe ich sie lange Zeit nicht gesehen. Ich habe zwei ihrer Ehemänner nie kennengelernt. Aber als deine Mutter uns verließ, brauchte ich ihre Hilfe, und sie schien sich so darüber zu freuen, hier bei dir sein zu können. Ich hatte gehofft, wir könnten die verlorene Zeit nachholen und dass sie eine richtige Großmutter für dich sein könnte.«
»Das ist sie aber nicht«, sagte Verena leise.
Stephen schüttelte den Kopf. »Das wird mir jetzt klar, und es tut mir so leid.«
»Ich hätte lieber Mummy wieder hier. Meinst du, sie kommt zurück?«
Stephen lächelte. »Ich habe mit ihr gesprochen und … ich glaube ja.«
»Wann?«
»Schon bald«, sagte er. »Ich werde nach Buenos Aires fliegen und sie nach Hause holen.«
Verena brach in Tränen aus. »Ich freu mich so, Daddy.«
Er nahm ihre Hand. »Ich mich auch, mein Engel!«
Sie spazierten glücklich nebeneinander her. Es gab noch etwas anderes, das Verena ihm erzählen wollte. Aber sie sagte nichts. Sie genoss lieber die Zeit mit ihrem Vater und verdrängte alle anderen Gedanken.
Aber als sie am Abend in ihrem Bett lag, dachte Verena über die Unterhaltung nach, die sie mit angehört hatte.
Glenda hatte Charles erzählt, sie sei auf ihrem Zimmer und telefoniere. Keiner von beiden hatte gehört, wie Verena die Treppe hinuntergekommen war. Keiner von ihnen wusste, dass sie im Flur gestanden und den Großteil ihres Streits mitbekommen hatte.
Jetzt hatte sie so viele Fragen. Was meinten Grandma und Charles mit
Magie
? Was für Geld hatte Grandma Marilyn Cantrip gestohlen? Wie hatte sie versucht, das Haus zu zerstören? Warum hatte Charles sie angeschrien? Was hatte er gemeint, als er sagte, Grandma könne ihm nicht länger wehtun? Warum benutzten sie immer wieder das Wort
Kräfte
? Was waren diese Kräfte?
In Verenas Kopf schwirrten die Gedanken umher. So viele Fragen, aber wem sollte sie sie stellen? Charles? Würde er sie beantworten?
Als sie so in der Dunkelheit lag, kam ihr plötzlich Flames Gesicht in den Sinn. Sie stellte sich vor, wie sie beide im Flur gestanden hatten, während der Halloween-Party. Sie erinnerte sich an den Blickkontakt mit Flame, als der Geist um sie herumgewirbelt war. Und sie erinnerte sich, dass sie keine Angst gehabt hatte. Sie war nur neugierig gewesen.
Aber vor allem erinnerte sie sich an das seltsame und neue Gefühl, dass sie und Flame etwas teilten. Etwas, das sie geheim halten mussten.
Ich wünschte, ich könnte mit Flame darüber reden, dachte sie. Wenn ich es täte, würde sie es mir sicher sagen, sie ist so direkt. Aber ich glaube, sie vertraut mir nicht. Vielleicht weiß sie,
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