und ein Hund mit Herzklopfen
sein. Er hat genauso lange Ferien wie wir und Jonas ist deshalb schon total genervt. Sein Vater läuft nämlich ständig hinter ihm her und will sich mit ihm unterhalten oder etwas unternehmen. Bis vor Kurzem haben sich die beiden überhaupt nicht gut verstanden. Aber das soll ab jetzt anders werden, hat sich Sebastian Pfeffer vorgenommen.
Nur blöd, dass er damit ausgerechnet in den Ferien anfängt. Jonas und ich haben echt keine Lust, seinen Vater an den See mitzuschleppen und mit ihm gemeinsam die Wasserrutsche runterzusausen. So was ist doch megapeinlich!
In dem Wohnzimmer mit den Flügeltüren steht Sebastian Pfeffers weißer Flügel. Er übt jeden Tag ein neues Stück und das ist überhaupt nicht nervig. Im Gegenteil! Er spielt nämlich ziemlich gut. Auch Mama gefällt das, obwohl sie sonst mit klassischer Musik nichts am Hut hat. Sie hört lieber Pop. Jedes Mal wenn er in die Tasten haut, macht sie die Praxisfenster sperrangelweit auf.
Jetzt öffnet er den Flügel und wühlt in einem Stapel Noten herum. Er legt bestimmt gleich los. Eigentlich super, denn dann wachen Jonas und Lukas wenigstens auf. Paula muss Jonas auf jeden Fall noch heute kennenlernen. Auch wenn das Baden ins Wasser fällt.
Sebastian schlägt ein paar laute Akkorde auf dem Klavier an und saust mit seinen Fingern über die Tasten. Das sind quasi Übungen zum Warmwerden. Dann spielt er eine einfache Melodie.
Ich fass es nicht: Das Stück kenne ich! Es ist von Mozart und es klingt wunderschön.
Papa hatte einen alten Plattenspieler und dazu einen ganzen Stapel Platten. Da ist diese Platte mit Musik von Mozart dabei. Die Sachen stehen jetzt in Kassias Dachkammer. Manchmal kann ich nicht schlafen, weil ich Papa so sehr vermisse. Dann schleichen Kassia und ich uns mitten in der Nacht nach oben und hören Papas Platten. Wenn ich eine Weile dabei geheult habe, geht es mir wieder besser.
Plötzlich stößt Daisy einen tiefen jammernden Ton aus. Das Geräusch geht mir durch Mark und Bein. Eine Sekunde später dreht sie vollkommen durch. Sie rast quer durch den Garten, bricht sich einen Weg durch den provisorischen Zaun, den unsere Mutter erst vor einer Woche eigenhändig gezimmert hat, und stürzt hinüber auf die Veranda.
Mit einem Riesensatz, beinahe als ob sie fliegen könnte, segelt sie in das Wohnzimmer und landet zielsicher auf Sebastians Schoß. Dann haut sie ihre Pfoten links und rechts auf seine Schultern und leckt ihm euphorisch das Gesicht ab. Dabei heult sie die ganze Zeit wie ein kranker Werwolf.
Ohne dass ich was dagegen tun kann, fange ich vor Schreck am ganzen Körper an zu zittern. Ich möchte zu Sebastian hinüberlaufen und ihn retten, aber meine Beine fühlen sich an wie Pudding. Vollkommen hilflos sacke ich auf das nasse Gras.
Gleichzeitig schlägt über mir ein Fenster klirrend gegen die Außenwand und Paula ruft verzweifelt: „Daisy? Daisy!“
„Oh nein!“
Bevor ich mich wieder einkriegen kann, stürmt meine Mutter an mir vorbei. Im Laufen verliert sie eine Sandale, aber das bremst ihre Geschwindigkeit nicht, im Gegenteil. Sie hechtet wie eine Hürdenläuferin über den zerstörten Gartenzaun und stürmt über die Veranda der Pfeffer’schen Villa ins Wohnzimmer, um Sebastian Pfeffer vor dem sicheren Herztod zu retten.
Denn auch wenn sich mein neuer Musiklehrer anstrengt, nicht mehr allen so auf den Nerven herumzutanzen und vor allem unsere Mutter nicht ständig auf die Palme zu bringen: Vor Tieren, egal ob es sich um winzige Mäuse oder um Dinosaurier handelt, hat er Todesangst und ist deshalb unberechenbar.
„Sebastian!“, brüllt meine Mutter. „Ich komme.“
Gerade als sie ihn aus Daisys Umklammerung retten will, hebt Sebastian Pfeffer wie ein Verkehrspolizist die Hand und ruft: „Halt!“ Er beginnt zu strahlen, als hätte er gerade ein besonders schönes Geburtstagsgeschenk ausgepackt oder den Hauptgewinn in einer Lotterie gewonnen. „So ein musikalischer Hund“, sagt er fast zärtlich. „Er mag Mozart.“ Er nimmt behutsam Daisys Pfoten und löst sich aus ihrem Würgegriff. Dann lässt er Daisy vorsichtig auf seine Füße plumpsen, während er versonnen weiterspielt und vor sich hin summt. Paulas Hund winselt leise dazu, mal hoch und mal tief – es klingt fast so, als hätte Daisy die zweite Stimme übernommen.
Mittlerweile hat sich Paula eilig angezogen und ist zu mir heruntergelaufen.
Ich schlüpfe hastig in herumliegende Gummistiefel. „Komm!“ Ich nehme Paula an die Hand und wir düsen
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