Und erlose uns von dem Bosen
zu dem jungen Mann, der wohl noch nicht ganz zwanzig war. Ich stellte mich dicht neben ihn. »Woher kennen Sie meinen Namen?«, fragte ich.
Er schüttelte den Kopf und trat einen Schritt zurück. »Man hat Sie gewarnt , Mann«, sagte er. »Der Wolf hat Sie gewarnt!«
Kaum waren die Worte heraus, hatte ich ihn schon an den Haaren und an der Jacke gepackt. Blitzschnell hatte ich ihn zu Boden geworfen und hielt ihn mit einem Nelson fest. Ich lag mit meinem gesamten Gewicht auf ihm.
Sein Gesicht war hochrot, sein dünner Körper verrenkt. Er schrie mich an: » He, Mann . Man hat mich bezahlt , um Ihnen diese Nachricht zu geben. Verdammt, runter von mir, du Wichser! Der Typ hat mir hundert Dollar gegeben. Ich bin nur ein Bote, Mann. Der Engländer hat mir gesagt, dass Sie Dr. Alex Cross sind.«
Der junge Bursche, der Bote , fixierte mich. »Sie sehen gar nicht wie ein Doktor aus.«
53
Der Wolf war in New York. Nicht für alles Geld der Welt konnte er das Ultimatum verpassen.
Die Verhandlungen wurden wirklich heiÃer. Der Präsident der Vereinigten Staaten, der britische Premierminister, der deutsche Kanzler â selbstverständlich wollten sie sich nicht auf einen Deal einlassen und als die erbärmlichen Feiglinge dastehen, die sie waren. Man konnte doch mit Terroristen nicht verhandeln, oder? Was für ein Beispiel würde das abgeben? Sie brauchten noch mehr Druck, mehr Stress, mehr Ãberzeugungsarbeit, ehe sie zusammenbrachen.
Teufel auch, das konnte er leicht herbeiführen. Nur allzu gern würde er diesen Schwachköpfen den Gefallen tun und sie foltern. Das Ganze war so voraussehbar â jedenfalls für ihn.
Er machte einen langen Spaziergang an der East Side von Manhattan. Alles für die Gesundheit. Er fühlte sich groÃartig, weil er alle Fäden dieses Spiels in der Hand hielt. Wie konnten sich die Regierungen dieser Welt mit ihm messen? Er hatte jeden erdenkbaren Vorteil. Keine Politik, keine Medien, Bürokraten, Gesetze oder Ethik waren ihm im Weg. Wer konnte das toppen?
Er ging in eines der vielen Apartments zurück, welche er in der ganzen Welt besaÃ. Dieses hier war ein prächtiges Penthouse, hoch über dem East River. Er telefonierte. Während er leicht seinen Gummiball drückte, sprach er mit einem hohen Tier aus dem New Yorker FBI-Büro. Eine Topkraft und eine Frau.
Diese Agentin berichtete ihm alles, was das FBI bisher
wusste und was es unternahm, um ihn aufzuspüren. Alles völlig belanglos. Das FBI hätte eher Bin Laden gefunden als ihn.
Der Wolf brüllte ins Telefon. »Soll ich für diese ScheiÃe etwa bezahlen? Für etwas, was ich bereits wusste? Stattdessen sollte ich Sie umbringen.«
Doch dann lachte der Russe. »Nur ein schlechter Scherz, Teuerste. Sie bringen mir gute Neuigkeiten. Und ich habe auch für Sie Neuigkeiten: Schon sehr bald wird es in New York zu einem Zwischenfall kommen. Halten Sie sich von Brücken fern. Brücken sind sehr gefährliche Orte. Das weià ich aus eigener Erfahrung.«
54
Bill Capistran war der Mann mit dem Plan und gleichzeitig einer sehr üblen und gefährlichen Einstellung â milde gesagt: Er hatte ernste Probleme, seine Wut zu kontrollieren. Doch schon bald würde er der Mann mit zweihundertfünfzigtausend Dollar auf seinem Konto auf den Cayman-Inseln sein. Er musste lediglich diesen Job durchziehen. Seine Aufgabe dabei war nicht besonders schwierig. Ich kann das, null problemo.
Capistran war neunundzwanzig Jahre alt, schlank und sehnig und stammte aus Raleigh, North Carolina. Er hatte für ein Jahr an der North Carolina State Lacrosse gespielt, dann war er zur Marineinfanterie gegangen. Nach drei Jahren Dienstzeit hatte ihn eine Firma aus Washington als Söldner fürs Ausland angeworben. Vor zwei Wochen hatte ihn ein Typ angesprochen, den er aus Washington kannte, Geoffrey Shafer, und Capistran hatte zugestimmt, den gröÃten Job seiner Karriere durchzuführen. Für zweihundertfünfzigtausend Dollar.
Und an diesem Job arbeitete er jetzt.
Um sieben Uhr morgens fuhr er einen schwarzen Ford-Van nach Osten über die Fiftyseventh Street in Manhattan, dann â bei der First Avenue â nach Norden. SchlieÃlich parkte er nahe der Fiftyninth-Street-Brücke, die auch Queensboro heiÃt.
Er und zwei Männer in weiÃen Overalls, wie Maler, kletterten aus dem Van und holten ihre Sachen aus dem Laderaum.
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