Und erlose uns von dem Bosen
abgrundtief schlecht sei. »Sagen Sie ihm, ich läse den Koran. Ein wunderbares Buch.«
Ich setzte mich und bemühte mich, das Verhalten des Terroristen nachzuahmen, ohne dass es zu sehr auffiel. Er saà auf der Stuhlkante. Ich ebenfalls. Wenn ich der erste Amerikaner werden konnte, dem er vertraute, wenngleich auch wenig, verplapperte er sich womöglich.
Anfangs klappte das nicht besonders. Dann aber beantwortete er einige Fragen über seine Heimatstadt. Er behauptete, mit einem Studentenvisum nach Amerika eingereist zu sein, aber ich wusste, dass er keinen Pass hatte. Er kannte auÃerdem nicht eine Adresse einer Universität in New York, nicht einmal die der NYU.
SchlieÃlich sprang ich auf und stapfte wütend aus dem Raum. Ich ging zum zweiten Verdächtigen und wiederholte die Prozedur.
Dann ging ich zurück zum ersten Gefangenen. Ich trug einen Stapel Berichte und knallte sie auf den Boden. Bei dem Knall sprang er tatsächlich hoch.
»Sagen Sie ihm, dass er mich belogen hat!«, brüllte ich den Dolmetscher an. »Sagen Sie ihm, dass ich ihm vertraut hatte. Sagen Sie ihm, im FBI und in der CIA sitzen nicht nur Schwachköpfe, selbst wenn man ihm das in seiner Heimat erzählt hat. Reden Sie mit ihm. Brüllen ist noch besser. Lassen Sie ihn nicht zu Wort kommen, bis er uns wirklich etwas zu sagen hat. Dann brüllen Sie mir zu, was er gesagt hat. Sagen Sie ihm, er würde sterben und wir würden seine gesamte Familie in Saudi-Arabien aufspüren!«
Die nächsten Stunden wanderte ich zwischen den beiden Räumen hin und her. Meine Jahre als Therapeut halfen mir, Menschen gut zu durchschauen, besonders wenn sie sich in einem Ausnahmezustand befanden. Ich holte mir noch einen dritten Terroristen, die einzige Frau, und fügte sie der Mischung bei. CIA-Beamte verhörten die Verdächtigen jedes Mal weiter, wenn ich den Raum verlieÃ. Keine Folter, aber ständiges Kreuzfeuer.
In den Trainingssitzungen des FBI in Quantico erzählte man uns von den Prinzipien eines Verhörs, den RPMs: Rationalisierung, Projektion und Minimalisierung. Ich rationalisierte
wie ein Irrer: »Sie sind ein guter Mensch, Ahmed. Sie glauben an das Richtige. Ich wünschte, ich hätte Ihren starken Glauben.« Ich projizierte Schuld: »Es ist nicht Ihre Schuld. Sie sind einfach ein junger Mann. Zuweilen kann die Regierung der Vereinigten Staaten böse sein. Manchmal glaube ich selbst, dass wir verdienen, bestraft zu werden.« Ich minimalisierte die Konsequenzen: »Bis jetzt haben Sie hier in Amerika noch kein richtiges Verbrechen begangen. Unsere schwachen Gesetze und unser Rechtssystem können Sie schützen.« Dann kam ich zum Punkt: »Erzählen Sie mir etwas über den Engländer. Wir wissen, dass er Geoffrey Shafer heiÃt. Er wird das Wiesel genannt. Gestern war er hier. Wir haben Videobänder und Fotos. Wir wissen, dass er hier war. Wo ist er jetzt? Er ist der Mann, hinter dem wir wirklich her sind.«
Ich lieà nicht locker. Ständig wiederholte ich meine Fragen. »Was wollte der Engländer? Was sollten Sie für ihn tun? Er ist der Schuldige, nicht Sie oder Ihre Freunde. Das wissen wir bereits. Sie müssen nur noch ein paar Lücken für uns ausfüllen. Dann können Sie zurück in die Heimat.«
Danach wiederholte ich die gleichen Fragen über den Wolf. Aber bei keinem Terroristen hatte ich Glück, nicht mal bei den ganz jungen. Sie waren zäh und viel disziplinierter und erfahrener, als sie nach auÃen hin wirkten. Sie waren gescheit und offensichtlich hochmotiviert.
Warum nicht? Sie glaubten an etwas. Das könnte man von ihnen lernen.
51
Der nächste Terrorist, den ich auswählte, war ein älterer, relativ gut aussehender Mann mit buschigem Schnurrbart und weiÃen, nahezu perfekten Zähnen. Er sprach Englisch und erzählte mir mit gewissem Stolz, dass er in Berkeley und Oxford studiert habe.
»Biochemie und Elektrotechnik. Ãberrascht Sie das?« Er hieà Ahmed el-Masry und war Nummer acht auf der Liste des Heimatschutzes.
Er war mehr als bereit, über Geoffrey Shafer zu sprechen.
»Ja, der Engländer ist zu uns gekommen. Selbstverständlich haben Sie da Recht. Videobänder lügen für gewöhnlich nicht. Er behauptete, etwas Interessantes zu haben, worüber er mit uns sprechen wolle.«
»Und hatte er?«
El-Masry runzelte die Stirn. »Nein, eigentlich
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