Und erlose uns von dem Bosen
unheimlich und zugleich Angst einjagend.
Einzig allein der Wolf wusste, was jetzt vor sich ging â nun, möglicherweise abgesehen vom Wolf, dem Präsidenten und ein paar anderen Weltführern. Einem Gerücht zufolge hatte man den Präsidenten, den Vizepräsidenten und das Kabinett bereits aus Washington herausgebracht.
Dieses Ding hörte einfach nicht auf. Jedenfalls nicht die Berichte in den Medien. Die Post , die New York Times, USA Today, CNN und andere Sender hatten Wind von den Drohungen gegen irgendwelche GroÃstädte bekommen. Keiner wusste, welche Städte oder von wem die Bedrohung ausging. Nach Jahren der Alarmstufen Gelb und Orange vom Heimatschutz schien niemand die Bedrohung und die Gerüchte allzu ernst zu nehmen.
Die Ungewissheit, der Nervenkrieg gehörten mit Sicherheit zum Plan des Wolfs. Ich war am letzten Wochenende im Mai, dem Memorial Weekend, in Washington und schlief fest, als ich den Anruf erhielt, sofort ins Hoover Building zu kommen.
Ich schaute auf den Wecker. Viertel nach drei Uhr morgens. Hatte es Repressalien gegeben? Wenn ja, sagte man es mir nicht am Telefon.
»Bin schon unterwegs«, sagte ich und verlieà leise fluchend das Bett. Ich duschte, erst heiÃ, dann eine oder zwei
Minuten kalt, trocknete mich ab, zog mich an, stieg in den Porsche und fuhr wie in einem Albtraum durch Washington. Ich wusste nur, dass der Wolf in dreiÃig Minuten anrufen würde.
Um kurz vor vier morgens, nach einem langen Wochenende, mit dem ausgelaufenen Ultimatum über unseren Häuptern! Er wollte nicht nur die Kontrolle, er war schlichtweg sadistisch.
Als ich den Krisenraum im vierten Stock betrat, war bereits über ein Dutzend Agenten dort. Wir begrüÃten uns wie alte Freunde bei einer Totenwache. In den nächsten Minuten schoben sich weitere Agenten mit verquollenen Augen herein. Keiner schien völlig wach zu sein. Als die ersten Kannen mit dem Kaffee kamen, bildete sich am Tisch eine Schlange. Alle wirkten sehr nervös.
»Kein Gebäck?«, fragte ein Agent. »Wo ist die Liebe?« Aber keiner lächelte über seinen Scherz.
Direktor Burns kam kurz nach halb vier. Er trug einen dunklen Anzug und Krawatte, ziemlich formell für ihn, besonders um diese Tageszeit. Ich hatte das Gefühl, dass er genauso wenig Ahnung hatte, was sich tat. Der Wolf führte das Kommando, keiner von uns.
»Und Sie dachten, ich sei ein knallharter Boss«, meinte Direktor Burns nach etlichen Minuten des Schweigens. Endlich ein Hauch von Gelächter. »Danke, dass Sie hier sind.«
Der Wolf meldete sich um drei Uhr dreiundvierzig. Die verfremdete Stimme. Die charakteristische Selbstgefälligkeit und Verachtung.
»Wahrscheinlich fragen Sie sich, weshalb ich eine Besprechung mitten in der Nacht angesetzt habe«, begann er. »Weil ich das kann. Wie gefällt Ihnen das? Weil ich das kann.
Falls es Ihnen noch nicht aufgefallen ist, Leute: Ich mag euch nicht besonders. Eigentlich überhaupt nicht. Dafür habe ich Gründe, gute Gründe. Ich hasse alles, wofür Amerika steht.
Vielleicht ist das Teil einer Rache? Vielleicht habt ihr mir Unrecht getan, irgendwann in der Vergangenheit? Vielleicht habt ihr meiner Familie etwas angetan? Das gehört alles zum Puzzle. Rache ist für mich ein süÃer Bonus.
Aber lassen Sie mich über die Gegenwart sprechen. Korrigieren Sie mich, wenn ich etwas Falsches sage, aber ich glaube, ich gab Ihnen die Anweisung, keinerlei weitere Ermittlungen bezüglich meines Aufenthalts durchzuführen.
Aber was tun Sie? Sie buchten sechs arme Schweine in Manhattan ein, weil Sie sie verdächtigen, für mich zu arbeiten. Das eine arme Mädel war so verzweifelt, dass sie aus dem Fenster gesprungen ist. Ich habe sie fallen sehen! Ich nehme an, Sie haben geglaubt, dass New York sicher sei, nachdem Sie mich dort ausgeschaltet haben.
Ach, tut mir Leid, das hätte ich fast vergessen. Da ist noch die Kleinigkeit des Ultimatums, das Sie haben verstreichen lassen.
Dachten Sie, ich hätte das vergessen? O nein, ich habe das Ultimatum keineswegs vergessen. Auch nicht die Beleidigung von Ihrer Seite. Und jetzt schauen Sie mal, was ich tun kann.«
56
Um zwanzig vor vier morgens bezog das Wiesel, genau laut Anweisung, seine Position auf einer Bank im Park am Fluss an Sutton Place und Fifty-seventh Street. Inzwischen lag ihm sehr viel bei diesem Job vorm Magen, aber die Probleme wurden durch zwei
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