Und erlose uns von dem Bosen
ab.
Ich hörte drei oder vier Explosionen innerhalb von Sekunden. Das war das Team, das die Türen aufsprengte. Bei diesem Zugriff würde es keine Verhandlungen geben.
Wir waren drin. Hervorragend â ich war drin. Gewehrschüsse hallten durch die dunklen Korridore des Hauses. Dann irgendwo über mir Maschinenpistolenfeuer.
Ich rannte in den ersten Stock. Ein Mann mit wildem buschigem Haar kam aus einem Gang. Er hielt ein Gewehr.
»Hände hoch!«, brüllte ich ihn an. »Hände hoch. Ganz hoch!«
Er verstand Englisch. Er hob die Hände und lieà das Gewehr fallen.
»Wo ist Colonel Shafer? Wo ist Shafer?«, schrie ich.
Der Mann schüttelte nur heftig den Kopf und blickte mich verwirrt, wie benommen an.
Ich überlieà den Gefangenen zwei Männern vom GBT und
hastete in den zweiten Stock. Jetzt wollte ich unbedingt das Wiesel. Steckte er hier irgendwo?
Plötzlich rannte eine Frau in Schwarz durch einen groÃen Wohnbereich am Ende der Treppe nach oben.
»Halt!«, schrie ich. »Hallo, Sie! Halt!«
Doch sie blieb nicht stehen â sondern sprang durch ein offenes Fenster im Wohnbereich hinaus. Ich hörte ihren Schrei â dann nichts mehr. Mir wurde übel.
SchlieÃlich hörte ich: »Alles sicher. Das Gebäude ist sicher! Alle Etagen sicher!«
Aber nichts über Geoffrey Shafer, nichts über das Wiesel.
50
Die GBTs und die SWAT-Teams der New Yorker Polizei schwärmten durchs gesamte Haus. Alle Türen waren aus den Angeln gesprengt. Etliche Fenster waren zu Bruch gegangen. So viel zum Protokoll: »Anklopfen und sich identifizieren!« Aber der Plan schien gut funktioniert zu haben â jedenfalls soweit ich es abschätzen konnte. Abgesehen davon, dass wir Shafer nicht gefunden hatten. Wo steckte dieser Mistkerl? So wie heute war er mir schon ein paar Mal durch die Lappen gegangen.
Die Frau, die aus dem Fenster im obersten Stockwerk gesprungen war, war tot. Das passiert nun mal, wenn man kopfüber drei Geschosse nach unten auf den Bürgersteig fällt. Ich gratulierte einigen Männern vom GBT, als ich das oberste Stockwerk durchstreifte. Sie gratulierten mir ebenso.
Auf der Treppe traf ich Michael Ainslie. »Washington will, dass Sie bei den Ermittlungen einbezogen werden«, teilte er mir mit. Er schien darüber nicht gerade begeistert zu sein. »Es sind sechs. Wie wollen Sie vorgehen?«
»Shafer?«, fragte ich Ainslie. »Irgendwas über ihn?« »Sie behaupten, er sei nicht hier. Sicher sind wir nicht. Wir suchen noch nach ihm.«
Ich konnte mich nicht gegen das Gefühl wehren, mich vorm Wiesel blamiert zu haben. Grimmig schluckte ich das runter. Ich betrat einen Arbeitsraum, der in ein Schlafzimmer umfunktioniert worden war. Schlafsäcke und ein paar fleckige Matratzen lagen auf dem kahlen HolzfuÃboden. Fünf Männer und ein Frau saÃen, mit Handschellen aneinander gekettet wie Kriegsgefangene da. Was sie wohl auch waren.
Anfangs musterte ich sie nur, ohne ein Wort zu sagen.
Dann deutete ich auf den Gefangenen, der am jüngsten aussah: klein, dünn, Brille mit Drahtgestell, selbstverständlich spärlicher Bart. »Ihn!«, befahl ich und schickte mich an, den Raum zu verlassen. »Den will ich. Führt ihn ab, jetzt!«
Nachdem der junge Mann in ein daneben liegendes kleines Schlafzimmer gebracht worden war, schaute ich mich noch mal um.
Ich deutete auf einen anderen jungen Mann mit langem lockigem Haar und Vollbart. »Den auch«, sagte ich. Er wurde hinausgebracht. Keine Erklärung.
Als Nächstes stellte man mir einen FBI-Dolmetscher vor, einen Mann namens Wasid, der Arabisch, Farsi und Paschto sprach. Gemeinsam betraten wir das kleine Schlafzimmer.
»Wahrscheinlich ist er ein Saudi, möglicherweise sind das alle«, erklärte mir der Dolmetscher unterwegs. Der kleine dünne Mann wirkte äuÃerst nervös. Manchmal ist für islamische Terroristen die Vorstellung zu sterben tröstlicher, als in Gefangenschaft zu geraten und vom Teufel verhört zu werden. Das war hier meine Rolle: Ich war der Teufel.
Ich bat den Dolmetscher, den mutmaÃlichen Terroristen in ein harmloses Gespräch über seine Heimatstadt und die Schwierigkeiten beim neuen Leben in New York, in der Höhle des Teufels zu verwickeln. Ich bat ihn ferner, einflieÃen zu lassen, dass ich ein ziemlich guter Mann und einer der wenigen FBI-Agenten sei, der nicht
Weitere Kostenlose Bücher