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Und erlose uns von dem Bosen

Titel: Und erlose uns von dem Bosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patterson James
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zuschauen kann.«
    Â»Bitte, Daddy, geh nicht weg«, flüsterte der Kleine. »Bitte, nicht weggehen.«

    Er wiederholte es, bis ich in meinem Mietwagen losfuhr. Ich winkte meinem Sohn zu. Er wurde kleiner und kleiner – bis er schließlich ganz verschwunden war, als ich um die Ecke fuhr. Ich spürte noch Alex’ kleinen Körper, wie er sich an mich presste. Ich spürte ihn eine lange Weile noch.

99
    Kurz vor acht Uhr abends saß ich allein in Seattle in der schummrigen Bar des Kingfish Cafés, das an der Nineteenth und Mercer Street liegt. In Gedanken war ich bei meinem jüngsten Sohn – nein, bei allen meinen Kindern. Da tauchte endlich Jamilla auf.
    Sie trug eine lange schwarze Lederjacke, eine dunkle Bluse, einen schwarzen Rock und lächelte strahlend, als sie mich an der Bar sitzen sah. Vielleicht sah ich für sie ebenso gut aus wie sie für mich. Vielleicht. Jamilla ist wirklich hübsch, aber sie scheint es nicht zu wissen. Ich hatte erwähnt, dass ich nach Seattle fliegen würde, und Jam hatte vorgeschlagen, ebenfalls herzufliegen und mit mir zu Abend zu essen.
    Anfangs hatte ich es für keine gute Idee gehalten, aber das war falsch, völlig falsch. Jetzt war ich unglaublich glücklich, sie zu sehen, besonders nach dem Abschied von Alex.
    Â»Du siehst gut aus, Schatz«, flüsterte sie mir ins Ohr. »Aber leicht angeschlagen. Du arbeitest zu viel. Die Kerze brennt zu schnell runter.«
    Â»Ich fühle mich jetzt schon viel besser«, sagte ich grinsend. »Du siehst so gut aus, dass es für uns beide reicht.«
    Â»Ach ja? Danke, dass du das gesagt hast. Glaube mir, ich hatte das Kompliment bitter nötig.«
    Es stellte sich heraus, dass das Kingfish ein total demokratisches Restaurant war: keine Reservierung. Man führte uns aber gleich zu einem netten Tisch an der Wand. Wir bestellten etwas zu trinken und zu essen, aber hauptsächlich waren wir hier, um Händchen zu halten und über alles zu sprechen, was unser Leben betraf.

    Â»Diese Sache mit Klein Alex ist für mich die schlimmste Folter«, sagte ich zu Jamilla beim Essen. »Es geht gegen alles, was ich bin und was ich von Nana gelernt habe. Es zerreißt mir das Herz, ihn hier zu lassen.«
    Jamilla runzelte die Stirn und schien verärgert zu sein. »Behandelt sie ihn nicht gut?«
    Â»Nein, nein. Christine ist eine gute Mutter. Die Trennung bringt mich um. Ich liebe diesen kleinen Jungen und er fehlt mir jeden Tag, an dem ich ihn nicht sehe. Ich vermisse, wie er redet, geht, denkt, schlechte Witze erzählt und sich meine anhört. Wir sind Kumpel, Jam.«
    Â»Und deshalb stürzt du dich so in deine Arbeit«, sagte Jamilla und schaute mir geradewegs in die Augen.
    Â»Na ja.« Ich nickte. »Aber das ist eine ganz andere Geschichte. He, lass uns abhauen.«
    Â»Was schwebt Ihnen vor, Agent Cross?«
    Â»Nichts Illegales, Inspector Hughes.«
    Â»Hmmm, wirklich? Schade.«

100
    Sie kennen den Ausdruck: Sich ein Zimmer nehmen ? Nun, ich hatte schon eins im Fairmont Olympic an der Universität, gegenüber vom Ranier Square. Ich konnte es kaum erwarten, dort hinzugehen. Wir beide nicht. Jamilla pfiff leise, als wir kurz nach zehn Uhr die beeindruckende Lobby betraten. Sie schaute zu der prächtig geschnitzten Holzdecke hinauf, die zwölf Meter hoch war. In dem großen, etwas überdekorierten Raum herrschte andächtige Stille.
    Â»Italienischer Renaissance-Stil, riesige antike Kandelaber, fünf Sterne, fünf Diamanten. Ich bin zutiefst beeindruckt«, sagte Jamilla und feixte. Wie gewohnt war ihr Enthusiasmus erfrischend.
    Â»Ab und zu muss man sich mal was Gutes gönnen, weißt du.«
    Â»Das hier ist ein echter Hochgenuss, Alex«, lobte Jamilla und gab mir schnell einen Kuss in der Lobby. »Ich bin so glücklich, dass du da bist. Und dass ich auch hier bin. Ich mag uns beide sehr.«
    Es wurde noch schöner. Unser Zimmer lag im neunten Stock und bot alles, was wir brauchten: hell und luftig und ein Riesenbett. Wir konnten sogar auf die Elliott Bay mit Bainbridge Island in der Ferne schauen. Eine Fähre legte gerade unten ab. Alles hätte nicht besser sein können, wenn ich alle Details genau geplant hätte, was ich ja vielleicht – sehr vielleicht – getan hatte.
    Auf dem Riesenbett lag eine grün-gold gestreifte Decke. Eine Tagesdecke oder eine Schlafdecke? Ich war nie ganz sicher,
was die

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