Und ewig seid ihr mein
Kniegelenk bis zur Wade reichte.
Demandt betrachtete sie im Gehen und machte ein kindlich anerkennendes
Oh
, das er gleich darauf bereute. Er war es nicht mehr gewohnt, mit psychisch schwer gestörten Menschen einen halbwegs normalen Umgangston zu pflegen. «Tut mir Leid, ich wollte nicht …»
Billie überging es und drückte mit dem angewinkelten Arm eine Glastür auf, die in den nächsten Trakt führte. Er tat das ziemlich ungelenk, und Demandt fragte sich, wieso er sich für die einfache Armbewegung so verrenkte. Billie hätte nur den Arm ausstrecken müssen. Dann ahnte er es, da der Arm unbewegt im gleichen Winkel an den Körper zurückging. «Hast du ein steifes Armgelenk?»
Billie schüttelte den Kopf. «Flight cancelled.»
Er hielt den Arm hoch und zeigte ihm eine weitere Narbe. Sie war nicht weniger beeindruckend lang.
«Was meinst du mit
Flight cancelled
?», fragte Demandt.
Ein Wachmann öffnete die letzte Tür, die hinaus auf den Vorhof ging. Noch ein Tor, und Demandt war wieder in Freiheit.
«Ein verrückter Kerl hat ihm das angetan», schaltete sichder Wachmann ein. «Billie wollte springen wie ein Känguru und fliegen wie ein Kranich, hoch über die Mauern der Anstalt hinweg.»
«Dr. Ruben», sagte Billie. «Gu-guter Mann. A-aber gaga.»
Der Wachmann schüttelte mitleidig den Kopf. Er verweigerte Billie weiterzugehen. Hier endete der Flug des Kranichs.
Demandt war tief getroffen. Das war also das erste Opfer des wahnsinnigen Dr. Ruben, das Demandt zu Gesicht bekam. Er hatte nicht so schnell mit einem Ermittlungserfolg gerechnet. Es hätte ruhig noch etwas dauern können.
Als für Demandt das letzte Tor aufgesperrt wurde, blickte er nochmals zurück. Billie stand in der noch offenen Tür, winkte und rief ihm etwas zu.
«Kol-kol-ber.»
Demandt hörte es, machte sich aber keine weiteren Gedanken darüber. Kurz winkte er Billie zum Abschied zu.
14
Würde er dem Handel mit Anubis zustimmen, wenn er sich in der genannten Praxis über Frank de Meer informieren würde?
«Psychotherapeutische Praxis Safranski. Was kann ich für Sie tun?»
«Mein Name ist Balthasar Levy. Ich möchte mich nach einem Frank de Meer erkundigen.»
«Wer soll das sein?»
«Wahrscheinlich ein Patient.»
«Tut mir Leid, wir haben keinen Herrn de Meer bei uns.»
«Sind Sie sicher?»
«Natürlich.»
«Schauen Sie doch bitte in Ihren Unterlagen nach. Vielleicht hat er sich irgendwo versteckt.»
«Bei uns versteckt sich niemand. Es tut mir Leid, wenn ich Ihnen nicht weiterhelfen kann.»
«Dann verbinden Sie mich bitte mit Ihrem Chef.»
«Doktor Safranski ist in der Gruppe. Sie können ihn erst heute Abend zwischen achtzehn und achtzehn Uhr dreißig erreichen.»
«So lange kann ich aber nicht warten.»
«Wir haben Wartezeiten bis zu vier Wochen. An Ihrer Stelle …»
Levy klickte das Gespräch weg. Es war 12.15 Uhr. Michaelis hatte seit einer Viertelstunde Mittagspause. Er konnte sich nicht erinnern, ob sie sie je außerhalb des Gebäudes verbracht hatte. Wenn ja, dann musste sie jeden Moment im Eingang erscheinen. Eine Stunde war schnell vorbei, und in den Cafés und Restaurants in der Straße war es nicht leicht, zur Mittagszeit einen Platz zu finden.
Er wartete noch eine Weile. 12.30 Uhr. Nein, sie würde nicht außerhalb essen, die Kantine war ihre Anlaufstelle.
Wenn Anubis tagsüber zuschlagen wollte, so hätte er wenig Chancen. Das bedeutete, er würde entweder den geeigneten Moment am frühen Morgen abwarten, wenn sie von der Wohnungstür zum Auto auf die Straße ging, oder er konzentrierte sich auf den Feierabend. Auch die Michaelis musste irgendwann einkaufen, Besorgungen erledigen. In der Dienstzeit hatte sie als Ermittlungsleiterin kaum Gelegenheit dazu, selbst bei einem Auswärtstermin.
Levy brach die Aktion ab. Anubis würde nicht hier zugreifen, wo ihm hunderte Beamte binnen Minuten auf der Spur wären.
Levy winkte ein Taxi heran und fuhr in in seine Wohnung zurück. Am Abend, wenn Michaelis Dienstschluss hatte, würde er nochmals vorbeischauen.
15
Sven Demandt rief den deutsch-holländischen Verbindungsbeamten vom BKA an. Er musste wissen, was aus Frank de Meer nach dessen Entlassung geworden war.
Die restliche Heimfahrt über ließ er sich die Geschichte, die ihm Nils Jouwer und Dr. Renden über Frank de Meer erzählt hatten, ein ums andere Mal durch den Kopf gehen. Dabei dachte er auch an seinen eigenen Jungen, den er mit seiner Exfrau hatte. Er war jetzt dreizehn
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