Und ewig seid ihr mein
Jahre alt, aus dem Gröbsten raus, lebte bei seiner Mutter in Kiel. Alle vierzehn Tage hatte Demandt sich ein Besuchsrecht erstritten. Wenn es hochkam, dann nahm er es ein Mal im Monat wahr, je nachdem, was gerade im Job los war.
War er ein Rabenvater – ständig auf Reisen, den Kopf gleichzeitig in drei Fälle vertieft und dann noch die Abteilung, die er zu leiten hatte? Seine Frau hatte sich deswegen von ihm getrennt.
Seit dieser Zeit war Demandt noch einsamer geworden. Wenn er nachts nach Hause kam, wartete noch nicht einmal ein Streit auf ihn, der ihn an seine Vaterschaft und seine Rolle als Ehemann erinnerte. Seit damals war er alleine.
Und schließlich trat Levy in sein Bewusstsein. Es gab eine Zeit, in der er sich für ihn genauso verantwortlich fühlte wie ein Vater für seinen Sohn. Er hatte ihm alles beigebracht, war mit ihm auf Lehrgänge und zu Betriebsfeierngegangen. Er verbrachte mit ihm die Zeit, die er gerne seinem eigenen Sohn geschenkt hätte.
In beiden Fällen war Demandt gescheitert.
Das Handy klingelte. Es war die Michaelis.
«Wo steckst du?», fragte sie ungehalten. Sie wusste nichts von seinem Spontanausflug nach Groningen.
«In zwei Stunden bin ich da. Dann können wir reden.»
«Es wird auch Zeit. Um drei habe ich ein Gespräch mit dem Polizeipräsidenten.»
«Ich habe eine interessante Geschichte für dich.»
«Ich will Ergebnisse, Sven, keine Geschichten.»
Es war dieser unwirsche und gängelnde Ton, den Demandt bereits bei seiner Exfrau bis aufs Blut hasste. Er verkniff sich eine spontane Antwort, die ihr schlicht den Mund verboten hätte, dieser neunmalklugen Schnepfe. «Bis dann.» Demandt legte, ohne eine Antwort zuzulassen, auf. Er betete zu Gott, dass dieser Fall bald abgeschlossen sein möge.
16
Die Zeit bis achtzehn Uhr verbrachte Levy mit Warten. Er saß vor seiner Wand und stierte auf die Notizen, die er zu Anubis gemacht hatte. Er zögerte noch, die neue Information hinzuzufügen. Noch war sie nicht überprüft.
Frank de Meer. Das war bis jetzt nur ein Name.
Levy legte noch eine Viertelstunde drauf, wenngleich es ihm schwer fiel. Er wusste, dass der Therapeut nach acht Stunden Gruppenarbeit eine Pause zum Erholen benötigte.
«Safranski», hörte er ihn müde sagen.
Levy stellte sich vor und teilte ihm mit, worum es ging.
«Sie wissen, dass ich Ihnen keine Auskünfte zu Patienten geben darf», gab Safranski zu bedenken.
«Natürlich. Nur dieser Fall liegt etwas anders.» Levy erzählte ihm in Stichworten den Hergang der Ermittlungen. Er hoffte, dass er ihn damit erweichen konnte. Nun läge es an ihm, einen Serienmörder zu fassen. Safranski dachte eine Zeit lang nach, seufzte, machte sich die Entscheidung nicht leicht.
«Was ich Ihnen sagen kann, ist», begann er schließlich, «dass ein Frank de Meer nicht zu meinen Patienten zählt. Ich habe die Praxis von meinem Vorgänger vor zehn Jahren übernommen. Ich weiß aber, dass Frank de Meer Patient bei ihm war.»
Levy stutzte. Wieso konnte sich Safranski an einen Patienten von vor zehn Jahren erinnern, der heute keiner mehr war?
«Ich habe während meines Studiums in der Praxis gearbeitet», sprach er weiter. «Dr. Weingarten, mein damaliger Chef und späterer Kollege, hatte neben der normalen Gesprächstherapie auch zwei Gruppen in Familienaufstellungen. In einer dieser Gruppen befand sich ein Privatpatient namens Frank de Meer. Er verfügte über erstaunliche psychologische Kenntnisse. Es schien fast, als könnte er uns etwas beibringen, anstatt wir ihm. Dennoch, er bestand darauf, als Patient aufgenommen zu werden. Er hatte, nach eigener Aussage, bereits verschiedenste Therapien hinter sich gebracht, doch keine hatte sein Problem gelöst.»
«Das da war?»
«Jetzt im Nachhinein sehe ich alles etwas deutlicher, damals jedoch war es ein einziger Dschungel an Gewaltphantasien. Er hatte das Trauma um den Verlust seiner Familie nicht überwunden. Wir versuchten, ahnungslos, wie wir am Beginn dieser neuen Therapieform waren, an ihm das Gleiche wie bei den anderen in der Gruppe. Wir ließen ihnseine Familie aufstellen. Sie wissen, wie eine Familienaufstellung vor sich geht?»
«In groben Zügen. Jemand wählt aus einer Gruppe stellvertretend seine Eltern und nahen Verwandten aus und platziert sie im Raum. Es geht um die so genannten
wissenden Felder
. Die Stellvertreter beschreiben aus ihrer Position im Raum ihr Empfinden, ob und bei wem in der Familie Konflikte bestehen. Am Ende erarbeitet der Therapeut
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