Und fuehre mich nicht in Versuchung
sich wieder im Büro, um ihre Ergebnisse abzustimmen. Tanja hatte tiefe Schatten unter den Augen, man sah ihr die Erschöpfung an. Auch Arne war nicht mehr frisch, sein Gesicht dunkel umschattet von seinen Bartstoppeln. Arne hatte jeden einzelnen von Vogels Mitarbeitern befragt. Jeder hatte Hochachtung gegenüber Vogels Sachkenntnis geäußert, kein einziger hatte privaten Kontakt zu ihm und niemand mochte ihn besonders. Es gab auch keinen Mitarbeiter, der ihm besonders nahe gestanden hatte; Vogel hatte offenbar zu allen Distanz bewahrt, auch zu denen, die mit ihm seit Jahren zusammengearbeitet hatten. Dennoch hatten alle gerne in seinem Stab gearbeitet, ja es gab sogar eine gewisse Eifersucht bei Mainz-Glas allen gegenüber, die es geschafft hatten, in das Team von Vogel aufzusteigen. Arne hatte sich alle Namen notiert, auch die derjenigen, die gerade im Urlaub waren und die er nach ihrer Rückkehr befragen wollte. Nicht einer der Befragten hatte eine Idee, wer Vogel ermordet haben könnte. Auch die, die es in Vogels Team nicht geschafft hatten, zeigten sich von dem Mord entsetzt. Mit denen wollte Arne aber noch einmal gesondert sprechen.
Tanja hatte am Vormittag eine Anfrage an das Sekretariat der theologischen Fakultät gerichtet, und die Mitarbeiterin am Telefon hatte versprochen, sich um einen kompetenten Gesprächspartner zum Thema Satanismus zu bemühen.
Die Dame wirkte aber sichtlich irritiert und überfordert, und Tanja hoffte, daß dieser Versuch der wissenschaft-lichen Aufklärung nicht zum Scheitern verurteilt war, bevor er begonnen hatte. Anschließend hatte sie von der Redaktion von Amuse Gueule erfahren, daß die Redak-tionsleitung mit den Kritiken von Steffen Vogel sehr zufrieden war. Er hatte präzise über die Leistungen der von ihm getesteten Restaurants berichtet und das in ihn gesetzte Vertrauen in ganzem Umfang erfüllt. Seine Sprache war glasklar, jede Beurteilung auf den Punkt formu-liert. Lediglich eine Klage, nämlich vom Küchenchef der Goldenen Gans in Mainz, sei bei ihnen eingegangen. Das sei aber normal, es gäbe immer mal wieder vereinzelte Beschwerden über Kritik. Die Redaktion zeigte sich erschüttert über den gewaltsamen Tod ihres Mitarbeiters.
Über die Bank von Christian Vogel hatten sie herausgefunden, daß er hohe Schulden hatte. Offenbar hatte er sich m it dem Kauf einer Eigentumswohnung in Finthen übernommen, er hatte Mühe, die Zinsen zurückzuzahlen. Vom BKA hatten sie Informationen über die Aktivitäten der Chinesenmafia in Deutschland erhalten und ebenso über Verbrechen, die im Zusammenhang mit Satanismus standen. Tanja seufzte beim Gedanken daran, daß sie Stapel von Papier durcharbeiten mußte. Am besten, sie nahm schon mal einen Packen mit nach Hause – als Gutenachtlektüre.
Am nächsten Morgen sollte das Gutachten der Gerichtsmedizin vorliegen. «Wenn der Neffe das Vermögen seines Onkels erbt, dann hat er keine Schwierigkeiten mit der Bank mehr», überlegte Arne. «Wenn du mich fragst: er hat ein dickes Motiv.» Tanja stimmte zu. «Aber was hat er mit den 300 000 Euro getan? Die hätte er doch benutzen können, um die Wohnung abzubezahlen.» «Das weiß ich auch nicht», meinte Arne. «Vielleicht hängt beides auch nicht zusammen? Es ist wirklich verzwickt.» Eine Mitarbeiterin kam ins Büro und teilte Arne und Tanja mit, daß bislang die telefonische Befragung der Jakobis und Jakobys beziehungsweise Jacobis und Jacobys im Rhein-Main-Gebiet keine Person entdeckt hatte, die mit Steffen Vogel befreundet war. «Setzen Sie einen Aufruf in die Zeitungen», bat Tanja, «vielleicht meldet sich die Person.» Dann wandte sie sich ihrem Kollegen zu. «Laß uns Schluß machen für heute, Arne, sehen wir morgen weiter. Ich nehme die Unterlagen zu den Satanisten mit, übernimmst du die Berichte zur Chinesenmafia? Heute können wir nichts mehr ausrichten.» Arne Dietrich nickte zustimmend und erschöpft. Auch er war mit seinen Kräften am Ende.
* * *
Susanne Hertz blickte sich im Kollegenkreis um. Sie waren alle im Gemeindesaal der Paulusgemeinde zur monatlichen Pfarrkonferenz versammelt. Die feministisch bewegte Pfarrerin der Christuskirche, Beate Saalmann, hatte eine –
wie Susanne fand – unerträglich moralinsaure Andacht gehalten, wobei sie nicht davor zurückgeschreckt war, eine selbst gebatikte lila Stola über dem unförmigen Pullover zu tragen, der um ihre dürre Figur merkwürdige Falten schlug. Pfarrerin Saalmann hielt nichts von modischen
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