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Und fuehre mich nicht in Versuchung

Und fuehre mich nicht in Versuchung

Titel: Und fuehre mich nicht in Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vera Bleibtreu
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schaute ernst. «Na klar, wenn ich diesen Fall nicht aufkläre, und es sieht im Moment ganz so aus, dann macht mich meine Chefin zur Schnecke und es wird nichts mit meiner Bewerbung. Und ich halte es hier einfach nicht mehr lange aus. Überleg mal, wo du überall schon gelebt  hast! Bonn, Münster, Paris, Malta, und ich war mein Leben lang nur in der Neustadt von Mainz am Rhein. Das ist unerträglich, ich muß hier einfach weg. Und ich würde den Steffen Vogel am liebsten eigenhändig noch einmal vier-teilen, weil mir der Mord an ihm alle Chancen vermasselt.
    Ich hasse Steffen Vogel!» Tanja trat gegen einen Baum-stamm. «Irgendwas muß der Kerl doch angestellt haben, sonst hätte den doch keiner umgebracht. Wenn ich bloß wüßte, was? Und ich hasse seinen Mörder!» Tanja trat noch mal zu. «Au, verdammt. Der muß doch einen kleinen Fehler gemacht haben, irgendwas, den perfekten Mord, den gibt’s doch gar nicht, das haben wir doch schon auf der Polizeischule gelernt.» Sie schüttelte sich, dann haute sie Susanne aufmunternd auf die Schulter. «Komm, jetzt gilt’s auf den letzten Metern. Kampf deinen Pfunden!» Die beiden Frauen liefen um die Wette. Tanja gewann um Längen.
    Aber Susanne war zufrieden, sowohl mit ihrer Leistung als auch damit, daß sie ihre Angst vor einem Lauf im Lennebergwald überwunden hatte.
    «Die Dehnübungen sind für mich an dieser Stelle trotzdem nicht mehr die wahre Freude.» Susanne hatte ihr linkes Bein auf den Balken gelegt, der extra für die Joggerin-nen und Jogger aufgestellt worden war, liebevoll an beiden Enden mit Schnitzereien verziert. Ein begabter Waldarbei-ter hatte es sich zur Lebensaufgabe gesetzt, den Forst mit Schnitzarbeiten zu verschönern – zur Freude nicht nur der Kinder. Überall im Wald konnte man seine Arbeiten entdecken: an einer Biegung dräute ein Waldungeheuer, an einer anderen Stelle überraschte eine Eule. Den Balken für die Dehnübungen zierte auf der einen Seite ein trauriges Gesicht (der Mensch vor der Anstrengung des Laufens), auf der anderen ein fröhliches (der Mensch nach über standener Tat). «Muß dieser Balken ausgerechnet gegen über der 14-Nothelfer-Kapelle stehen?» beschwerte sich Susanne. «Mit Blick auf die Platanen! Ich sehe immer noch die Hähne und die Hand vor mir. Vielleicht waren es Satanisten, Tanja, fällt mir gerade ein. Die haben Steffen Vogel bei Vollmond zerteilt und als Opfer gemeinsam mit den Hühnern an die Platanen genagelt. Hatten sie hier in Mainz nicht vor einiger Zeit einen Fall von Satanismus?
    Das ist doch die Idee! Was meinst du, da paßt doch alles!»
    «Daran haben wir auch gedacht, meine Liebe, sogar ganz am Anfang, du warst noch nicht nach Hause gefahren und hocktest vor der 14-Nothelfer-Kapelle. Du kannst dich nur nicht mehr dran erinnern, weil du offensichtlich unter Schock standest.» Tanja stand auf einem Bein und zog ihre Ferse in Richtung Po, um ihre Oberschenkelmuskulatur zu dehnen. «Aber es waren keine Satanisten, mit Sicherheit nicht!» «Warum denn nicht?», Susanne erwärmte sich für ihre Idee, «so pervers wie die sind, das wäre doch möglich.
    Die schrecken vor nichts zurück, habe ich gelesen.» «Aber es waren keine Satanisten», Tanja wechselte das Bein.
    Susanne fragte sich im stillen, wie Tanja es schaffte, so gerade und ausbalanciert auf einem Bein zu stehen. Sie selbst mußte sich für diese Übung immer an dem Balken festhalten. «Es waren bestimmt keine. Denn sie waren gefroren, die Hähne – und die Hand. Das hat die Gerichtsmedizin einwandfrei festgestellt. Tiefgefroren. Und hast du schon einmal von Satanisten gehört, die tiefgefrorene Hähne an Platanen nageln? Eben. Wir haben inzwischen genaue Informationen vom Sektenbeauftragten der Evangelischen Kirche und von der Uni hier in Mainz. Es wäre zwar denkbar, daß Satanisten Hähne an Bäume nageln, aber undenkbar, daß sie das mit gefrorenen Hähnchen tun.
    Sie wollen ja den Blutritus, sie schlachten lebendige Tiere und könnten sie dann auch aufhängen oder annageln. Niemals würden sie jedoch die geschlachteten Tiere fünf Tage in der Gefriertruhe aufbewahren und dann annageln. Der Ritus wäre ja unterbrochen. Nein, die Satanisten sind defi-nitiv aus dem Rennen.»

    * * *
    Die Stimme war immer noch zu hören. Und das Geräusch des Nagels auch. Ob es etwas gab, daß tote Stimmen und schreckliche Töne umbringen konnte? Konnte man tote Stimmen totschlagen, zum Schweigen bringen? Wurden furchtbare Geräusche irgendwann einmal

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