Und Gott sprach: Wir müssen reden! (German Edition)
brauche, aber dafür die aktuelle Sitzung nicht unterbrechen will, trinke ich ein paar Schlückchen Kaffee in Zeitlupe.
Im Geiste fasse ich zusammen: Mein neuer Patient leidet an einer schweren schizophrenen Psychose, die sich einerseits darin äußert, dass er wechselnde Identitäten annimmt, um die Welt zu verbessern. Andererseits hat Abel Baumann die immerhin originelle Wahnvorstellung, nicht nur irgendein Auserwählter zu sein, sondern Gott höchstpersönlich. Unklar ist noch, ob wir wirklich die gleiche Person meinen, wenn wir von Gott sprechen. Es gibt ja eine Menge Menschen in Politik und Wirtschaft oder auch im Showgeschäft, die sich für Götter halten, ohne gleich biblische Dimensionen für sich zu beanspruchen. Ich beschließe, hier einzuhaken. «Wen oder was meinen Sie genau, wenn Sie von Gott sprechen?»
Baumann lacht. «Welchen Teil von Gott haben Sie denn nicht verstanden, Dr. Jakobi?»
«Sie wollen mir also sagen, dass Sie Gott, der Allmächtige, sind», präzisiere ich.
«Gott, der Allmächtige», wiederholt Baumann und schmeckt den Wörtern nach. «Das ist leider lange her. Ich bin nicht mehr allmächtig. Wenn ich es noch wäre, dann säßen wir jetzt nicht hier.»
«Gott ist nicht allmächtig?», wundere ich mich.
«Nicht die Bohne», bestätigt Baumann.
«Aber das war nicht immer so», werfe ich ein.
«Nein. Die ersten Probleme haben sich zwar schon vor langer Zeit angekündigt, aber so richtig schlimm ist es vor etwas mehr als zwanzig Jahren geworden.»
Ich ahne, dass wir uns dem Trauma nähern, das für Baumanns Psychose verantwortlich oder zumindest mitverantwortlich sein könnte. «Es gab also einen konkreten Auslöser.»
Baumann nickt, zögert aber, weiterzusprechen.
Ich mache eine aufmunternde Geste, doch er schüttelt den Kopf und lehnt sich wieder zurück. «Heute nicht. Unsere Zeit ist gleich rum.»
Erstaunt schaue ich auf die Uhr. «Nein. Wir haben noch genug Zeit. Außerdem habe ich sowieso gerade nichts Besseres vor.»
«Doch», sagt Baumann. «Sie werden gleich freigelassen. Ich muss leider noch eine Weile hier bleiben. Aber das ist kein Problem. Gegen Abend komme ich auch raus.»
Hab ich was nicht mitbekommen? Ich erhebe mich und schaue durch das kleine vergitterte Türfenster. «Niemand da», verkünde ich.
Einen Atemzug später wird am Ende des Ganges eine Tür entriegelt, und Polizeioberrat Schavinski erscheint in Begleitung einer seiner Mitarbeiter.
Erstaunt blicke ich zu Baumann.
Der zuckt mit den Schultern. «Ein bisschen was hab ich schon noch drauf», sagt er. «Immerhin bin ich ja Gott.»
Die Zellentür öffnet sich, und Schavinski tritt ein.
«Ihr Bruder wartet draußen. Sie können gehen. Wenn wir noch Fragen haben, melden wir uns.» Er blickt zu Baumann. «Sie müssen leider noch eine Weile hierbleiben. Aber wir arbeiten dran, dass Sie heute auch im eigenen Bett schlafen können.»
«Rufen Sie mich an?», frage ich Baumann.
Der nickt, zieht eine Visitenkarte hervor und drückt sie mir in die Hand. «Falls Sie in der Gegend sind, schauen Sie einfach vorbei.»
Ich werfe einen kurzen Blick auf die Karte. «Keine Telefonnummer?»
«Brauch ich nicht. Ich weiß, wenn Sie kommen.»
Der Revierleiter wirft mir einen besorgten Blick zu.
«Mein Patient macht Witze», sage ich und stecke die Karte in meinen Bademantel.
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Gott ist unterwegs
Mein Bruder trägt teuren Zwirn, lehnt lässig an seiner Nobelkarosse und raucht eine Filterlose. «Du siehst scheußlich aus», sagt er zur Begrüßung.
«Ich freu mich auch, dich zu sehen», erwidere ich und öffne rasch die Beifahrertür, weil ein eiskalter Wind durch meinen Bademantel weht.
Jonas schnippt seine Zigarette weg, steigt ein und startet den Motor. Dann greift er nach einer Packung Nikotinkaugummis und schiebt sich eines in den Mund. «Stell dir vor! Mit diesen Dingern bin ich jetzt schon runter auf zwanzig am Tag. Toll, oder?» Er lässt den Wagen langsam in den stockenden Verkehr rollen.
«Toll», bestätige ich. «Dein Husten klingt auch schon viel heller.»
Er nickt zufrieden. «Perspektivisch will ich es mir ja ganz abgewöhnen», sagt er. «Geht nur gerade im Moment nicht. Zu viel Stress.»
Eine Weile kämpfen wir uns schweigend durch die mittägliche Rushhour.
«Jakob?»
«Mm?»
«Wie schlecht geht es dir eigentlich wirklich?» Es klingt, als wäre er auf eine höchst dramatische Weise beunruhigt. Den Hang zum Theatralischen hat er von Mutter geerbt.
Da ich keine
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