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Und hinter dir die Finsternis

Und hinter dir die Finsternis

Titel: Und hinter dir die Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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die Anwälte von der Existenz des Hemdes wüssten, würden sie versuchen, einen Deal mit der Staatsanwaltschaft auszuhandeln, aber Peter würde niemals ein Geständnis für diese Morde ablegen, nur um bestenfalls mit zweiundsiebzig Jahren wieder aus dem Gefängnis zu gelangen.
    Unser Kind wäre dann dreißig, dachte ich.
    »Ich werde nicht versuchen, Peter von seiner Meinung abzubringen, worauf seine Verteidigung basieren soll«, sagte ich. »Es ist sein Wille, und ich werde ihn darin unterstützen.«
    Sie rückten ihre Stühle ab und erhoben sich zum Gehen. »Dann müssen Sie sich auf das Unvermeidbare gefasst machen, Kay«, sagte Markinson. »Sie werden Ihr Kind allein aufziehen müssen.«
    Als sie hinausgingen, blieb Markinson vor dem Vitrinenschrank stehen. »Wunderschönes Porzellan«, bemerkte er.
    »Ja«, antwortete ich, mir durchaus bewusst, dass wir jetzt nur noch höfliche Konversation trieben, dass Peters Anwälte unsere Sache innerlich so gut wie aufgegeben hatten.
    Conner Banks betrachtete eines der Gemälde, die ich aus dem zweiten Stock heruntergebracht hatte. »Wirklich hervorragend«, sagte er. »Das ist ein Morley, nicht wahr?«
    »Ich weiß es nicht«, gab ich zu. »Ich muss gestehen, dass ich leider zu wenig von Kunst verstehe. Es gefiel mir einfach besser als das, was vorher dort hing.«
    »Dann haben Sie ein gutes Auge«, sagte er anerkennend. »Wir werden jetzt aufbrechen. Im Moment suchen wir Ärzte, die Patienten mit Parasomnien behandelt haben und bestätigen können, dass sie sich ihres Verhaltens vollkommen unbewusst sind, wenn sie schlafwandeln. Wenn Sie und Peter auf dieser Verteidigung bestehen, dann werden wir sie für den Prozess als Experten benennen müssen.«
    Es war Besuchstag im Gefängnis von Bergen County. Mein Bauchumfang begann zu wachsen, und als ich mich an
diesem Morgen anzog, musste ich den obersten Knopf meiner Hose offen lassen. Seit einiger Zeit trug ich fast nur noch Rollkragenpullover; sie halfen mir zu kaschieren, wie dünn ich geworden war, mit Ausnahme meiner Taille natürlich. Es beunruhigte mich, dass ich immer noch Gewicht verlor, aber der Gynäkologe hatte mir gesagt, dass das in den ersten Monaten einer Schwangerschaft nichts Ungewöhnliches sei.
    Wann geschah es, dass sich meine quälenden Zweifel an Peters Unschuld allmählich verflüchtigten? Ich glaube, es begann, als ich in den Aktenschränken im zweiten Stock herumstöberte. Ich erfuhr darin sehr viel über seine Kindheit. Seine Mutter hatte für jedes Lebensjahr ein Fotoalbum geführt, bis zu ihrem Tod; damals war er zwölf Jahre alt. Mir fiel auf, wie selten sein Vater auf den Fotos zu sehen war. Peter hatte mir erzählt, dass seine Mutter nach seiner Geburt ihren Mann nicht mehr auf dessen Geschäftsreisen begleitet hatte.
    Auf einigen Seiten hatte sie Anmerkungen dazugeschrieben, liebevolle Kommentare, wie klug Peter sei, wie schnell er lerne, über seinen wunderbaren Charakter, seinen Sinn für Humor.
    Es berührte mich wehmütig, als ich begriff, wie nahe sich Peter und seine Mutter gestanden hatten. Dir war es wenigstens vergönnt, zwölf Jahre mit ihr zu verbringen, dachte ich. Dann fand ich ein Bild, das von einem Fotografen der Lokalzeitung am Tag ihrer Beerdigung aufgenommen worden war. Ein verstörter zwölfjähriger Peter, mit den Tränen kämpfend, ging neben dem Sarg seiner Mutter her, seine Hand ruhte auf dem Deckel.
    In einem der Schränke fand ich seine Jahrbücher vom College und blätterte darin. Unter einem Foto von ihm stand als Unterschrift: »Eleganz unter Druck.« Ich stellte fest, dass gerade sein letztes Jahr in Princeton begonnen hatte, als Susan verschwunden war. In den Monaten, die danach folgten, war er ständig von der Staatsanwaltschaft verhört worden.

    Als ich an diesem Nachmittag im Besucherraum des Gefängnisses saß und Peter hereingeführt wurde, blickte er mich lange durch die Plexiglasscheibe an, ohne etwas zu sagen. Er zitterte, und in seinen Augen glitzerten Tränen. Er nahm den Hörer auf seiner Seite der Trennscheibe auf. Mit heiserer Stimme sagte er: »Kay, ich weiß nicht warum, aber ich hatte so ein Gefühl, dass du heute nicht kommen würdest, dass du überhaupt nicht mehr kommen würdest, weil du dieses ganze Elend nicht mehr ertragen kannst.«
    Für einen Augenblick glaubte ich, in das Gesicht des zwölfjährigen Jungen beim Begräbnis seiner Mutter zu blicken. »Ich werde dich nie verlassen«, sagte ich ihm. »Ich liebe dich viel zu sehr, als dass ich

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