... und ich höre doch!: Ein technologisches Abenteuer zwischen Silicon Valley und den Alpen (German Edition)
sie und ihren positiven Einfluss wäre ich heute wer weiß wo. Das klingt sehr nach Klischee, ist aber so.
Bücher waren meine Rettung, auch wenn mir das damals noch nicht klar war. Das Fernsehen strahlte in den frühen 1970ern kaum gute Kinderprogramme aus, und wegen meiner Schwerhörigkeit verstand ich die Worte ohnehin nicht. Obwohl ich damals schon extrem gut Lippenlesen konnte, reichte das nicht für die Lippenbewegungen von Bugs Bunny oder der Muppets in der Sesamstraße. Fernsehen stellte damals bereits ein großes Problem für mich dar. War es laut genug für mich eingestellt, hielt es sonst niemand im selben Raum aus. Ich war also vor die Wahl gestellt, vor dem Gerät zu sitzen und mir den Text selber auszudenken oder zu lesen. Also las ich – und wie.
Ich las jedes Buch, das man in der Bibliothek für meine Altersgruppe ausleihen konnte, und wenn ich alle fertig hatte, las ich sie noch einmal, bevor ich zu Büchern für die nächste Altersgruppe griff. Schon als Kind half mir die Sunnyvale-Bibliothek, und sie spielte auch in meinem späteren Leben eine entscheidende Rolle. Sie hatte auch eine Abteilung, in der man die in den USA ausgestellten Patente für die neuesten Erfindungen einsehen konnte. In dieser Abteilung verbrachte ich später noch viel Zeit.
Der durchschnittliche Mensch denkt nie an Gehörverlust. So sind die meisten sehr erstaunt, wenn sie von der Dimension des Problems erfahren. Sensorisch-neuraler Gehörverlust (bekannt als Taubheit) betrifft elf Prozent der Bevölkerung. Vielen dieser Leute könnte mit einem Hörgerät geholfen werden, aber das lehnen die meisten aus den unterschiedlichsten Gründen ab. Für viele ist das Tragen eines Hörgeräts mit dem sozialen Stigma der Taubstummheit verbunden, obwohl das eine veraltete Vorstellung ist. Moderne Geräte können die meisten Patienten sehr gut unterstützen, wenn man nur bereit ist, sie lange genug zu tragen, um sich daran zu gewöhnen. Fast allen Patienten mit geringem oder mittlerem Hörverlust hilft eine akustische Verstärkung. Aber man muss natürlich lernen, auch mit den Unannehmlichkeiten umzugehen, dem Ohrenschmalz, dem Unbehagen, der Resonanz, die im Ohr entstehen kann. Viele probieren zwar Hörgeräte, geben es aber rasch wieder auf oder tragen sie nur selten. Sie meinen: „Es klingt nicht natürlich“. Hörverlust betrifft alle Altersstufen, ist aber bei Senioren häufiger verbreitet. Da wir heute länger leben, wird das Problem sich verstärken.
Ungefähr ein Prozent der Bevölkerung ist auch von kombiniertem oder Schallleitungshörverlust betroffen. Bei diesem Leiden bietet die Chirurgie oft die Möglichkeit, das Trommelfell zu reparieren oder einen bzw. alle drei Gehörknöchelchen zu ersetzen, die den Schall ins Innenohr übertragen. Leider bringen die Versuche, durch Verstärkung oder operativen Eingriff die Gehörfunktion wiederherzustellen, oft schlechte und nur kurz anhaltende Resultate. Hörverlust ist eine medizinische Anomalie. Sensorisch-neurale Schwerhörigkeit stellt die am weitesten verbreitete chronische Krankheit dar, die nicht behandelt wird. In den Vereinigten Staaten sind derzeit ca. 30 Millionen Menschen betroffen, von denen sich ca. 80 Prozent nicht behandeln lassen. Eine echtes Versäumnis der Gesundheitsvorsorge. Viele Gründe sind dafür ausschlaggebend. Meist erkennen die Betroffenen gar nicht oder können nicht erkennen, wie stark sie eingeschränkt sind. Heute schicken meist die Partner Gehörlose zur Untersuchung, da sie es satthaben, alles dauernd zu wiederholen, oder sie können das Wort „Was?“ einfach nicht mehr hören. So ziehen, tragen oder schieben sie ihre Partner in die Ambulanz, um Hilfe zu suchen. Daher lautet ein gängiger Witz der Hörbehelfe-Industrie auch: „Wer verkauft die meisten Hörgeräte? Die Ehefrauen.“
Viele schätzen den einfachen Vorgang des Hörens nicht genug. Da wir weder denken müssen, um zu hören, noch es bewusst versuchen, halten wir diesen passiven Sinneseindruck für selbstverständlich. Hören passiert einfach. Wir haben vielleicht in der Schule einmal von den winzigen Gehörknöchelchen gehört, aber wir sind uns kaum bewusst, was für ein Wunder an Funktionen und biomechanischen Vorgängen den Hörvorgang bestimmt. Würde man jemanden fragen, ob er eher auf das Hören oder das Sehen verzichten könnte, wäre die Antwort wahrscheinlich „das Hören“. Das ist meiner Meinung nach die falsche Antwort.
Die Menschen sind so stark visuell orientiert,
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