Und immer wieder Liebe Roman
Pressefrau erzählt, die sich wegen der Interviews und Buchpräsentationen mit den Schriftstellern herumschlagen muss. Daraufhin habe ich mich informiert, einfach so. Die Verlage haben wohl feste Verträge mit bestimmten Hotels. So etwas könnten wir doch auch anbieten, dann hätten wir gleich einen festen Kundenstamm.«
»Du bist ja vollkommen verrückt geworden!«, ruft Alberto verzweifelt. »Woher willst du das Geld nehmen, um an der Piazza Sant’Alessandro eine Wohnung zu kaufen? Man sollte seinen Aktionsradius auf keinen Fall vergrößern, wenn man nicht die Mittel dazu hat. Außerdem hast du keine Ahnung von Hotellerie.«
»Dann hätte ich auch nicht Buchhändlerin werden dürfen. Komm schon, Alberto,wir könnten einen Kredit aufnehmen. Du bist voreingenommen, dabei könntest du die Hotelidee doch als Investition betrachten.«
»Du solltest dir besser einen Freund zulegen, dann würdest du dir nicht andauernd so einen Unsinn ausdenken. Gönn mir doch auch mal ein wenig Ruhe. Das Lokal läuft gut, ich habe dich von Anfang an unterstützt, und wir machen jede Menge Profit. Ein Hotel ist kein Pappenstiel. Du solltest langsam auch mal an deine Rente denken, Emma. Die Rente ist das Ziel, auf das wir hinarbeiten sollten, der Leuchtturm am Horizont. Wirst du die Arbeit denn nie leid? Ich sehe Mattia mitnichten als Empfangschef in einem Hotel. Er wird seinen eigenen Weg gehen, und du wirst ihn nicht mehr unterstützen müssen. Ein Hotel! Du bist wirklich verrückt geworden. Warum kommst du nicht einfach mal ein bisschen zur Ruhe?«
»Oder machst eine schöne Reise mit Gabriella?«, fügt meine Freundin hinzu.
Wir sind uns derart nah, dass wir im selben Moment denselben Satz sagen. Die Wendung »ein Herz und eine Seele« bringt exakt zum Ausdruck, was ich in diesem Moment empfinde.
New York, den 27. Oktober 2003
Ort des Friedens Nr. 8, Central Park West
Liebe Emma,
die hundertfünfzig Jahre, die der Central Park schon auf dem Buckel hat, kann man erahnen, wenn man ihn von innen nach außen betrachtet. Ich kann seine Vergangenheit erlaufen und seine Schichten erkennen, wenn ich mir die Häuser und Wolkenkratzer an den vier Parkseiten anschaue. Jedes Gebäude ist anders, so wie auch die Bäume um mich herum in ganz verschiedene Grüntöne gehüllt sind. In den Achtzigerjahren war der ganze Ort verkommen: Die Seen waren verdreckt, und Kinder konnten hier nicht spielen, weil sich irgendwelche Rowdy-Banden breitgemacht hatten. Wieder einmal war es ein Philanthrop, der tief in die private Tasche griff, und so wurde der Central Park wieder zu dem, was sich seine geistigen Väter Frederick Law Olmstead und Calvert Vaux im neunzehnten Jahrhundert vorgestellt hatten – 340 Hektar Wälder und Wiesen, Freitreppen und Seen. Heute kann man die Anlage, die in einer großen Grube im Manhattaner Schiefer entstanden war, von einem privilegierten, geschützten und einzigartigen Aussichtspunkt aus würdigen. Genauso wie unsere Morgan Library. New York ist eine Stadt mit hoher Allergierate, und ich bin ein Versuchskaninchen wie aus dem Lehrbuch. Zwischen Zement, Staub und den hundertachtundsechzig Baumarten um mich herum bin ich ein wandelnder Niesanfall. Sind es nun die
Ahorne, die Eichen oder die Rosskastanien, die mir so zu schaffen machen? Keine Ahnung. Ich weiß nur, dass ich unentwegt Antiallergika schlucke, dass aber keines hilft. Andererseits würde ich niemals auf meine Baumpause in diesem städtischen Wald verzichten wollen. Er ist so etwas wie ein emotionales Schutzschild für mich. Ins Atrium der Morgan Library pflanzen wir Bäume, die aus Öffnungen im Boden herauswachsen sollen – als Symbol für das Irrationale im Rationalen, für die Möglichkeit von etwas, das keine anderen Regeln als sich selbst kennt.
Meine verehrte Emma, morgen fahre ich nach Paris. Ich bin in Deiner Nähe. Immer.
Heute ganz besonders der Deine, Federico
P.S. Der Strand Bookstore hat einen Ableger im Central Park. Du wirst es kaum glauben, aber selbst die Manager kaufen dort Bücher und strecken sich auf den Bänken aus, um zu lesen.
Mailand, den I. November 2003
Via Londonio 8
Lieber Federico,
ich hätte viele Verstorbene zu beklagen, heute an ihrem Fest, aber ich bleibe zu Hause. Es gefällt mir nicht, Gräber zu besuchen, und an Allerheiligen sind die Friedhöfe immer total überfüllt. Ich muss alleine sein, heute mehr denn je. Mattia ist mit Carlotta weggefahren, das Geschäft ist geschlossen, und erst
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