Und immer wieder Liebe Roman
Manfield Park, Die Abtei von Northanger und Überredung, dann noch eine neue Ausgabe von Lady Susan und Die Watsons. Dazwischen dekoriere ich ein paar Einzelstücke wie eine Geschichte Englands und Lesley Castle im Taschenbuchformat, außerdem Janes Briefwechsel, der von ihrer Schwester Cassandra, die viele Briefe verbrannt hat, so grausam dezimiert wurde (diese Verbrennerei von Briefen ist eine Unsitte!). Die einzige vollständige Sammlung mit allen einhundertvierundfünfzig erhaltenen Briefen ist der Band Jane Austen’s Letters to her Sister Cassandra and Others von 1952, herausgegeben von R. W. Chapman, eine Rarität, die ich mal auf dem Portobello Market gefunden habe.
»Warum schreibst du dem Geburtstagskind keinen Glückwunsch für die Homepage? Einen kritischen meinetwegen, in den du alle deine Bedenken reinpackst? Das wäre doch wenigstens etwas Produktives, und du müsstest hier nicht unnötig herumpolemisieren? Ich könnte mir vorstellen, dass sich aus deinem Beitrag für unsere Website ein Diskussionsforum entwickelt. Ach, und wenn du schon dabei bist, dann schreib auch, dass sich in der Morgan Library in New York das Manuskript von Lady Susan befindet.«
»Ich wusste gar nicht, dass du eine so fanatische Anhängerin
von Jane Austen bist. Du ereiferst dich, als wäre sie deine Urgroßtante.«
Ich übertreibe, wahrscheinlich wie immer, aber ich kann es ihr nicht erklären. Es hat mit Federico zu tun und damit, dass ich ihn so unendlich vermisse und er mir von Jane Austen geschrieben hat. Gesegnet sei die Buchhandlung, ich weiß nicht, was ich ohne diesen Ort machen würde.
»Hör mal, was das Mädel so von sich gibt«, triumphiert Alice und liest Passagen aus Austens Werk vor. Ihre Stimme klingt spöttisch: »›Eine Person, die mit leichter Feder einen langen Brief schreibt, muss einfach gut schreiben können.‹ Und hier: ›Die Hälfte der Welt kann die Vergnügungen der anderen Hälfte nicht begreifen.‹ ›Das Leben ist nichts als eine schnelle Abfolge von sinnlosen Dingen.‹ ›Hinter der Zurückhaltung verbirgt sich Sicherheit, aber keine Anziehung. Eine zurückhaltende Person kann man nicht blieben.‹«
Und was ist mit mir? Ich bin derartig zurückhaltend, dass ich mit Gabriella schon seit vielen Wochen nicht mehr über Federico gesprochen habe.
Natürlich kann man eine zurückhaltende Person lieben, aber das ist ein anderes Thema.
Das Schaufenster ist ein Spiegel für meine ganz speziellen Kundinnen. Passenderweise kommt in diesem Moment Cecilia in die Buchhandlung gestürmt. Sie sieht halb erfroren und hungrig aus, belohnt mich aber mit einem »Wow, Emma, was für eine fantastische Idee.« Sie deutet auf das Schaufenster. »Stolz und Vorurteil sollte man an allen Gymnasien verteilen, als Pflichtlektüre für Jungen und Mädchen. Wir sind doch schließlich alle potenzielle Darcys und Elizabeths, die so lange um das Problem mit der Liebe kreisen, bis sie schließlich am Ende sind.«
»Siehst du, Alice?«, triumphiere ich.
Mailand, den 31. Dezember 2003
Via Londonio 8
Lieber Federico,
ich schreibe Dir, bevor ich mich in die Wanne lege, um mich auf ein Essen mit wenigen guten Freunden (ich hasse große Feste) bei Gabriella vorzubereiten. Bei der Post war ich auch noch. Weihnachten ist vorbei, das nächste steht uns erst in einundfünfzig Wochen wieder bevor, und der Domplatz, den ich überquert habe, war ungewöhnlich düster. Fünf Birnen in der Laterne links von der Fassade waren kaputt, und ich habe mich in die Wärme der Galerie geflüchtet. Das goldene Licht spiegelte sich in den schmiedeeisernen Balkongittern, von denen Girlanden wie Leuchtspaghetti herabhingen. Sogar die Tauben ließen es sich gutgehen und pickten hier und dort, während ein goldglänzender Mann reglos unter dem Bogen stand und sich mit einem kleinen Jungen, der auf seiner Geige Zigeunermelodien zupfte, die Spenden der Passanten teilte. Die Touristen haben Fotos gemacht, während die Mailänder und jene von außerhalb, die vor dem großen Fest noch einmal durch die Stadt spazieren wollten, sich ganz friedlich verhalten und nicht gedrängelt haben. Eine Gruppe Jugendlicher mit bedenklich tief sitzenden Hosen kam mit einem Haufen CDs aus einem Musikkaufhaus und verschwand im McDonald’s, um sich irgendwelches Junkfood zu genehmigen. Mein Lieber, ich habe an Dich gedacht, als ich mit emporgereckter Nase durch die Galerie gelaufen bin und zum Oktogon kam, wo Weihnachten seine Spuren hinterlassen hat:
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