Und immer wieder Liebe Roman
Geschichte einer Ehekrise, Alberto. Luisa ist eine Frau, die sich ihre intellektuelle Unabhängigkeit bewahren möchte. Das Buch steht im Regal ›Paare‹. Und ich glaube eher nicht, dass Alida Valli tot ist, das hätte ich gelesen oder im Fernsehen gehört.«
»Die Rentabilität einer Buchhandlung bemisst sich übrigens in Quadratmetern. Wenn du dich weniger um den Komfort deiner Kunden kümmern würdest, könntest du mehr Bücher anbieten. Du redest wie eine Bibliothekarin. Mein Gott, Emma, du kannst die Bücher nicht behandeln, als wären es deine persönlichen Schätze.«
»Meine Kunden sind es aber so gewöhnt, Alberto, und genau das schätzen sie so. Deshalb kommen sie. Das begreifst du aber einfach nicht.«
»Bevor du das Lokal aufgemacht hast, haben sie ihren Kaffee immer gratis bekommen.«
»Es passiert selten, dass jemand wieder geht, ohne etwas zu kaufen. Die Bar hat sich als Goldgrube erwiesen. Und wart mal ab, wie das mit dem Hotel wird.«
»Mit dir zu diskutieren, ist die reinste Zeitverschwendung. Schau auf die Zahlen: Deiner Sturheit zum Trotz haben die Verträge
mit den Firmen wegen der Weihnachtspräsente eine Steigerung der Verkaufszahlen erbracht.«
»Gut gemacht, was?«
»Natürlich werden wir nie erfahren, ob das Liebesleben deiner Kunden davon profitiert, aber das ist ja auch nicht das Ziel, oder?«
Alberto spottet, aber die Zahlen von Lust&Liebe bereiten ihm Genugtuung. Für ihn ist Umsatzsteigerung (was für ein scheußliches Wort) dasselbe, wie für einen Chirurgen eine schöne Narbe, für einen Zahnarzt eine unsichtbare Füllung und für einen Kosmetiker ein glattes, komplett enthaartes Bein. Er hat seine Bilanzen.
Und Gabriella.
Paris, den 12. Januar 2004
Flughafen Charles de Gaulle
Liebe Emma,
ich bin in Paris, in zwanzig Minuten gehe ich an Bord. Jedes Mal, wenn ich mit einer kleinen Gruppe glücklicher Verschwender in der Air-France-Lounge sitze, denke ich daran, dass ich eineinhalb Stunden von Dir entfernt bin und nur den fiesen, masochistischen Pakt, den ich Dir aufgezwungen habe, brechen müsste. Ich kann die Vergangenheit nicht ändern, aber ich möchte so gerne bei Dir sein. Jeder Tag ohne Dich ist ein verlorener Tag. Als ich vor einer Woche geflogen bin, hat Anna geschmollt. Sie ahnt, dass ich nicht nur geografisch weit weg von ihr bin. Aber ich habe weder die Kraft, ihr von uns zu erzählen, noch gelingt es mir, ihr von mir zu erzählen. Manchmal schaut sie mich mit einer unergründlichen Traurigkeit an, beinahe verzweifelt. Ich tue dann immer so, als wäre nichts, und fühle mich wie ein Stück Scheiße,
wie Mattia sagen würde. Anna verurteilt mich nicht. Sie ist nie feindselig, fragt nicht, bietet mir nicht den geringsten Anlass zu einem Geständnis oder einer Vertraulichkeit, fast so, als würde mein Gemütszustand ihr Angst machen. Sie fürchtet Enthüllungen, die sie nicht ertragen könnte. Offenbar würde sie nicht mit der geringsten Veränderung in unserem Leben zurechtkommen. Sarah ist aufgeweckt, intelligent, sehr hübsch, und in ihrer Klasse und mit ihren Freunden fühlt sie sich vollkommen wohl. Es gibt einen neuen Jungen, der regelmäßig bei uns zu Hause herumläuft, nicht mehr Ricki, sondern ein gewisser Francesco, ein Italiener aus Florenz, der Sohn eines Korrespondenten von irgendeiner Zeitung.
Ich kann nicht mehr so weitermachen, als wäre nie etwas gewesen, Emma, und deshalb stürze ich mich bis zur Besinnungslosigkeit in die Arbeit. Nichts ist mir im Moment ähnlicher als die Baustelle; das Loch, das wir graben, ist ein Symbol, aber ich kann nicht in mein Innerstes hinabsteigen. So sieht’s aus. Jetzt wird eine Verspätung für den Flug nach New York durchgesagt. Ich werde Dich nicht anrufen, sondern zum Tabakladen gehen und eine schöne Briefmarke kaufen – Liberté, égalité, fraternité – und den Brief einwerfen, dann wird Dich dieser Erguss eines müden Melodramatikers früher erreichen.
Lies ihn mit Nachsicht,
Dein, wie Du weißt,
Federico
P.S. Du und die Morgan, Ihr seid meine einzige Welt.
Mailand, den 27. Januar 2004
Hotel Lust&Liebe
Lieber Federico,
ich habe neues Briefpapier, wie du siehst. Die blauen Umschläge von Smythson von der Bond Street kommen morgen zum Altpapier – ich weihe jetzt die neuen vom Hotel Lust&Liebe ein. Das Hotel ist in Wahrheit noch eine Baustelle, aber ich schlage mich wacker. Kannst Du Dir das vorstellen? Ein kleines Hotel nur für mich und meine Schriftsteller! Es
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