Und immer wieder Liebe Roman
sind eine Antwort auf Buchhändler, die ihre Bücher in der Zellophanhülle lassen, um sie zu »schonen«. Und auf die digitale Revolution der Online-Bücher. Oder auf den Cyber-Enthusiasmus meiner drei Helfershelfer.
»Das kauft doch kein Mensch, Mama. Wer holt sich Kerzen ins Haus, die nach Bibliothek stinken?«
»Kerzen stinken nicht«, belehre ich meinen Sohn. »Kerzen duften. Die Aromatherapie ist heute eine der beliebtesten Methoden der alternativen Medizin. Bücher riechen nicht mehr, und Klebstoffe enthalten heutzutage weniger Schadstoffe, was dir natürlich gefallen dürfte. Außerdem werden die Pigmente in der Tinte heute auf Wasserbasis gemacht. Ich bin aber angesichts der Geruchsarmut von Büchern noch überzeugter denn je davon, dass Lesen ein sinnlicheres Vergnügen ist, wenn man sich eine solche Kerze anzündet. Die von Assouline habe ich gut verkauft, und ich werde auch diese hier verkaufen. Sie haben schließlich kein Verfallsdatum.«
Ich bin nervös und lasse es an ihm aus. Das ist ungerecht, ich weiß, aber seine altklugen Kommentare ärgern mich. Ich versuche, versöhnlich zu klingen. »Okay, jetzt komm aber und hilf mir.« »Ich möchte ein Schaufenster über schwule Liebe machen. Was für Bücher würdest du nehmen?«
»Mama, ich habe keine Ahnung von Literatur, geschweige denn von schwuler Literatur! Lass dir von Borghetti oder Gaston helfen. Du hast halt das Pech, einen heterosexuellen Sohn zu haben. Außerdem muss ich an die Poli.«
Auch er sagt »Poli«. Die Generationen wechseln, aber die Namen bleiben.
»Keine Vorurteile, bitte. Aliiiceee, kannst du kommen und mir helfen? Es ist schon spät, und ich muss zum Friseur.«
»Was willst du denn beim Friseur? Ab morgen wirst du dich den
ganzen Tag in Thermalbädern herumtummeln. Da ist es doch die reinste Verschwendung, wenn du dir jetzt die Haare machen lässt. Wir hätten Maurice von Forster, dann das Romandebüt dieses Italieners, Ivan Cotroneo, Abschiedssymphonie von Edmund White und Die Stunden von Cunningham, der übrigens auch ein Porträt über Provincetown vorgelegt hat. Das ist eine Stadt in Neuengland, die von vielen Schwulen besucht wird. Dann würde ich noch Nachtmusik mit einem Fremden von David Leavitt nehmen, das ist die Geschichte von einem gescheiterten Pianisten, der schließlich für einen erfolgreichen Pianisten die Seiten umblättert und sich, natürlich, in ihn verliebt. Mehr weiß ich aber auch nicht...«
»Mama, du könntest Präservative dazulegen. Oder besser noch: Warum verkaufst du nicht welche?«
»Mattia, jetzt hör aber auf! Präservative! Stell dir doch mal das Gesicht von Lucilla und ihren Freundinnen vor.«
»Als sie jung waren, haben sie auch gevögelt. Du verkaufst Kerzen und Tassen, warum also nicht auch Dinge, die wirklich der Liebe dienen? Du könntest ein Zeichen für geistige Offenheit setzen. Denk doch nur, was das für eine Nachricht wäre – die erste Buchhandlung, die eine Kampagne für Safer Sex startet.«
10. April 2004
Es war kein langsames Sich-ineinander-verlieben, keine dieser nachdenklichen und vorsichtigen und von langer Hand vorbereiteten Lieben, bei denen sich aus einem Blick, einem Händedruck oder einer jahrzehntelangen keuschen Freundschaft etwas anderes entwickelt.
Nein.
Es war das, was in den Romanen ein »Blitzschlag« genannt wird. Dreißig Jahre dauerte es, Kriege eingeschlossen. Cupidos Pfeil traf zwischen den Felsen, an einem schwülen Sommernachmittag des Jahres 1893, einem merkwürdigen Tag für die Bretonen, denen alles Schwüle fremd ist. Sie hatte sich von Georges Clairin mitschleifen lassen, einem introvertierten Mann mit Kinnbart und steifem Lächeln (einem dieser Männer, die in der gehobenen Pariser Gesellschaft gern gesehene Gäste auf Festen, Banketten und Premieren waren). Er war der Erbe eines sagenhaften väterlichen Vermögens und lebte mit einem einzigen Bediensteten in Paris. Und er malte. In Le Pouldu in der Bretagne hatte er sich ein Sommeratelier einrichten lassen, aber der Ort war so gottverlassen, dass er sich, um nicht in Depressionen zu verfallen, Freunde einlud. Gemeinsam fuhren sie nach Concarneau, Benodet, Audierne und zu diesem schäumenden Friedhof, der selbst den hartgesottensten Seglern Angst einjagt: Pointe du Raz.
Sie wiederum lief in Seidenschühchen über die Strände des Finistere, als Clairin irgendwann einen Ausflug zur Belle-Île vorschlug. Die Fähre der Union Belliloise de Transport ließ sie in Le
Palais an Land gehen, wo
Weitere Kostenlose Bücher